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Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)

Titel: Die Tochter des Hauslehrers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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bückte sich noch ein Stückchen weiter. In dem Stapel Bücher neben dem Bett war ihr ein grüner Fleck ins Auge gefallen. Ein grüner Buchrücken ragte ein Stückchen aus dem sonst ganz geraden Bücherturm heraus.
    Hastig stand sie auf und hob die oberen Bücher an – da lag es in seiner ganzen Pracht! Sie fuhr mit dem Finger über die grobe Oberfläche, um sich zu vergewissern, dass es echt war.
    Sie nahm es, schlug es auf, sah das Datum des ersten Eintrags und ihren Namen, in ihrer Handschrift. Erleichtert seufzte sie auf. Danke !, dachte sie, ohne zu überlegen, wem sie eigentlich dankte.
    Der Erleichterung folgte sogleich eine Mischung weniger angenehmer Gefühle. Hatte es vielleicht die ganze Zeit dort gelegen? Hatte sie es einfach verlegt, wie Lady Weston überzeugt gewesen war? Hatte sie Lizzie, Julian, Rowan, Henry, ja sogar Morva beschuldigt und beinahe jemanden des Diebstahls verdächtigt, obwohl das verschwundene Buch die ganze Zeit hier gelegen hatte? Vor Verlegenheit wurde ihr ganz heiß und ihr Magen krampfte sich zusammen.
    Sie würde sich entschuldigen müssen, würde zugeben müssen, dass sie sich geirrt hatte, dass sie das Buch, das neben ihrem Nachttisch lag, irgendwie übersehen hatte. Sie hatte viele Bücher. Es warzwar sehr unwahrscheinlich, dass sie den Stapel so unordentlich hingelegt hatte, aber vielleicht hatte Morva ihn bei ihrem verhassten Abstauben angestoßen und verschoben und, in einem Akt unterschwelliger Auflehnung, nicht wieder ordentlich hingelegt.
    Die Vorstellung, zugeben zu müssen, dass sie im Unrecht war, war ihr grässlich, doch was blieb ihr übrig?
    Sie blätterte das Tagebuch rasch durch, überflog die Einträge mit widersprüchlichen Gefühlen – einerseits Erleichterung darüber, dass niemand die privaten Aufzeichnungen gelesen hatte, andererseits Verlegenheit bei dem Gedanken, dass vielleicht doch ein Fremder sie gelesen und das Buch dann zurückgelegt hatte. Aber es wegnehmen und am nächsten Tag zurücklegen? Das schien doch kaum die Mühe wert. Vielleicht hatte ihre erregte Bitte gestern Morgen die anderen doch stärker beeindruckt, als sie gedacht hatte.
    Plötzlich hielt sie inne. Sie las die letzte Zeile unten auf der linken Seite und blickte dann auf die erste Zeile auf der nächsten Seite – ein neuer, völlig zusammenhangloser Satz. Ihr Herz begann, wie wild zu klopfen. Mit zitternden Nerven bog sie das Buch etwas weiter auseinander und betrachtete die Seiten genauer. Ja, da war ganz schwach eine zackige Kante zu sehen.
    Es fehlte ein Blatt.
    Irgendjemand hatte ihr Tagebuch genommen, wie sie vermutet hatte. Genommen und wieder zurückgebracht. Aber zuvor hatte er eine Seite herausgerissen.
    Du meine Güte … warum in aller Welt sollte jemand so etwas tun?
    Sie versuchte sich zu erinnern, was auf dieser Seite gestanden hatte – auf beiden Seiten des fehlenden Blattes …
    Sie las noch einmal die letzten Zeilen vor der herausgerissenen Seite.
    Ich habe wieder viel Freude an den Gesprächen mit Phillip Weston. In seiner Gesellschaft sind die letzten Jahre plötzlich verschwunden; wir unterhalten uns mit der Vertrautheit alter Freunde. Und gleichzeitig binich mir bewusst, dass er kein Junge mehr ist. Doch es hat mich überrascht, dass er zögerte, zur Chapel of the Rock hinauszugehen.
    Er ist so ganz anders als sein Bruder Henry …
    Oh nein ! Sie hatte über Phillip und Henry Weston geschrieben und die beiden verglichen. Hatte beschrieben, wie die beiden sich verändert hatten, seit sie sie zuletzt gesehen hatte. Wie sie es genoss, wieder mit Phillip zusammen zu sein. Wie das, was Henry in der Kapelle gesagt hatte, sie überrascht hatte. Vielleicht hatte sie sogar das seltsam angenehme Gefühl erwähnt, als sie ihre Hand in seine gelegt hatte …
    Sie schloss die Augen und stöhnte laut auf. »Oh nein …« Wer hatte das Blatt jetzt und warum hatte er oder sie es genommen – aus welchem Grund? Emma blickte auf die Seite nach der Leerstelle und las die erste Zeile.
    Nicht, dass ich irgendwelche romantischen Gefühle für Phillip Weston hätte, ich bin einfach nur erleichtert, hier auf Ebbington Manor einen Freund zu haben.
    Welche Ironie – diese Zeile stand natürlich allein. Ohne sie – aus dem Zusammenhang gerissen – konnte das, was sie auf dem losen Blatt geschrieben hatte, sehr gut missverstanden werden.

    Am nächsten Morgen stand Emma früh auf und machte sich, nachdem Morva ihr beim Ankleiden geholfen hatte, auf die Suche nach Phillip. Sie

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