Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
besser mit diesen albernen, geistlosen Geschöpfen zurecht, die mit den Wimpern klimperten und an seinen Lippen hingen und nichts Interessanteres herausbrachten als: »Du meine Güte! Was Sie nicht sagen!«
Aber er, Henry, empfand einen Widerwillen gegen sie.
Schlimmer noch, Lady Weston ließ keinen Zweifel an ihrer Erwartung, dass einer von ihnen Miss Penberthy heiraten würde. Wie gütig von ihr, ihnen die Entscheidung zu überlassen, wer das Opferlamm sein sollte, wo sie diese Angelegenheit doch ganz bestimmt gern selbst entschieden und den Bannspruch verhängt hätte!
Doch auch das war es nicht, was Henry zunehmend verärgerte, bis er seine Wut und seine Zunge kaum noch im Zaum halten konnte.
Lady Weston hatte gesagt: »Mrs Penberthy, so sehr ich sie als Freundin schätze, ist … sagen wir einmal, ein wenig engstirnig. Und sie achtet sehr auf die Herkunft. Sie ist eine leidenschaftliche Anhängerin der These, dass der Charakter und die Eigenschaften eines Menschen von Generation zu Generation weitervererbt werden.«
»So wie sie ihrer Tochter ihre schlechten Zähne vererbt hat?«, hatte Rowan mit einem Schnauben gefragt.
Lady Weston hatte ihm einen strengen Blick zugeworfen.
»Und deshalb«, fuhr sie fort, »erwarte ich von euch allen, dass ihr eure gute Herkunft, eure Talente und eure Intelligenz unter Beweis stellt. Sie darf keinen Zweifel an der Familie Weston hegen oder an der Vorteilhaftigkeit, mit ihr verwandt zu sein. Ich habe mitbekommen, dass das Mädchen an dem Erben des Nancarrow-Anwesens interessiert war, doch als Mrs Penberthy von der Existenz eines Cousins mit einem Klumpfuß erfuhr, blies sie die Sache ab – zu meiner großen Erleichterung. Deshalb muss ich euch bitten, gewisse Dinge für euch zu behalten, wie wir es bis jetzt ja auch getan haben.«
Dann hatte sie ihn angesehen. »Ich weiß, dass du anderer Ansicht bist, Henry, doch ich muss darauf bestehen. Während ihres Besuchs werden wir weder von den weiteren Bewohnern unseres Hauses, noch davon, dass gewisse Westons der Schule verwiesen wurden, noch von anderen Unannehmlichkeiten reden.«
Henry konnte kaum glauben, dass sie die »weiteren Bewohner des Hauses« und die Tatsache, dass Julian und Rowan aus der Schule geworfen worden waren, im selben Atemzug erwähnte.
Doch Lady Weston war noch nicht fertig. Sie bedachte Phillip mit einem scharfen Blick. »Und du, Phillip, solltest dir eine plausible Erklärung dafür zurechtlegen, dass du Oxford mitten im Semester verlassen hast. Mrs Penberthy darf auf keinen Fall auf die Idee kommen, dass du Schwierigkeiten im Studium hast.« Dann wandte sie sich an Rowan und Julian. »Und ihr beiden – keine Streiche oder Schlägereien, während sie hier ist! Habe ich mich deutlich genug ausgedrückt?«
»Absolut«, sagte Julian mit affektiertem Akzent.
»Gut.«
Lady Weston baute sich vor ihnen auf. »Die Westons sind kühne, anständige, gesunde junge Herren, unter denen Mrs Penberthy einen passenden, nein, einen überragenden Gefährten für ihre einzige Tochter finden wird.«
Henry fragte sich, ob er oder Phillip das Mädchen heiraten und erst danach das Familiengeheimnis verraten sollten. Wie verlogen! Wie geldgierig. Er spürte den festen Griff seines Vaters auf seiner verkrampften Schulter, sonst hätte er in diesem Moment eine schneidende Bemerkung gemacht. Er blickte zu Sir Giles hinüber.
Die wässrigen Hundeaugen seines Vaters flehten: Bitte, das ist wichtig für sie. Es sind doch nur ein paar Tage. Macht es denn wirklich so viel aus, jetzt noch, nach allem?
Henry seufzte und schwieg.
Ein paar Stunden später stand Henry in seinem Zimmer, nur noch mit Hemd und Hose bekleidet. Seinen Kammerdiener hatte er bereits entlassen; Merryn hatte ihm mit seinem Überrock geholfen und dann seine Schuhe und Stiefel mitgenommen, um sie zu putzen.
Als Henry sich am Waschtisch das Gesicht abtrocknete, hörte er Schritte draußen auf dem Flur und versteifte sich unwillkürlich. Er hatte in letzter Zeit zu viele Berichte über uneingeladene nächtliche Besucher gehört, um gelassen darauf reagieren zu können. Er schleuderte sein Handtuch beiseite, ging zur Tür und riss sie auf. Doch es war nur Phillip, die Faust erhoben, um zu klopfen; jetzt sah er ihn erschrocken an.
»Erwartest du jemanden?«, fragte Phillip.
»Nein. Ich habe Schritte gehört und dachte, es sei jemand anders. Komm rein.«
Was sein Bruder auch tat. Angesichts des Themas bei der Familienzusammenkunft vorhin war Henry nicht
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