Die Tochter des Hauslehrers (German Edition)
sich.
Lizzie setzte sich neben Emma, goss sich aus einem winzigen Kännchen auf dem Tisch Sahne ein und bat Emma um die Zuckerdose.
Sie gab mehrere Würfel Zucker in ihre Tasse, rührte um und gähnte wieder.
Emma nutzte die Müdigkeit des Mädchens, beugte sich dicht zu ihr hinüber und …
Lizzie zuckte zurück. Sie hörte auf, ihren Tasseninhalt umzurühren und starrte Emma stirnrunzelnd an. »Haben Sie … gerade an mir geschnuppert?«
Emma stammelte: »Ich … nein … das wollte ich nicht. Ich …«
»Stinke ich?« Lizzie drehte ihren Kopf zur Schulter und schnüffelte.
»Nein, natürlich nicht. Ich habe nur … gedacht, dass du Parfum trägst.«
»Sollte ich?« Der Schalk leuchtete in ihren Augen auf.
Emma antwortete erleichtert: »Nein. Es hatte nichts zu bedeuten. Ich war einfach nur neugierig. Ich habe vorhin einen Blumenduft gerochen und dachte …«
»Ich war's nicht. Außer vielleicht mein Talkumpuder. Ich trage kein Parfum mehr. Als ich herkam, hatte ich noch eins, eine kleine Flasche Eau de Cologne ; sie war ein Geschenk. Aber Lady Weston bekam tränende Augen davon und ihre Nase brannte, deshalb trage ich es nicht mehr.«
»Lady Weston trägt also auch kein Parfum? Oder war es nur dieser ganz bestimmte Duft, den sie nicht vertrug?«
»Lady Weston verträgt überhaupt nichts«, sagte Lizzie ironisch. »Ist Ihnen das noch nicht aufgefallen?« Sie trank einen Schluck Kaffee und zuckte die Achseln. »Sie trägt keinen Duft, soweit ich weiß. Aber ihre Gesichtscreme duftet nach Zitrone, glaube ich.«
Zitrone? Nein, Zitrone oder Orange war es nicht gewesen.
Sie dachte an die kleine Flasche Eau de Cologne , die Phillip ihr geschenkt hatte. Zum Glück hatte sie es noch nicht benutzt. Sie sagte: »Dann sollte ich also lieber auch kein Parfum benutzen.«
»Sie lernen schnell.« Lizzie nippte wieder an ihrem Kaffee mit reichlich Milch und Zucker. »Phillip hat gesagt, Sie seien klug.«
Emma nickte langsam; sie dachte nach.
Lizzie betrachtete sie über den Tassenrand. »Was ist denn? Warum sind Sie so nervös?«
»Nichts. Ich … ich habe nur über den Geruch nachgedacht, das ist alles.«
Lizzie schien aufmerksam zu werden. »Wo haben Sie das Parfum denn gerochen?«, fragte sie.
»Anscheinend habe ich es mir eingebildet. Ich dachte, ich röche es in meinem Zimmer.«
Lizzies schmale Brauen flogen hoch. »Wirklich? Dann hat Ihnen vielleicht das Gespenst von Ebbington einen Besuch abgestattet.«
»Erzähl mir nicht, dass Julian und Rowan dich mit ihren Gespenstergeschichten überzeugt haben.«
Lizzie zuckte die Achseln. »Vielleicht doch.« Sie warf einen Blick auf den Lakai, dann beugte sie sich vor und flüsterte: »Ich dachte immer, ihr Gerede von einem Gespenst sei einfach nur Unsinn, aber in letzter Zeit habe ich so einiges gehört und jetzt fürchte ich, dass sie recht haben könnten.«
»Was hast du denn gehört?«
Lizzies dunkle Augen wurden groß. »Schritte, wo keine zu hören sein sollten. Und Stimmen. Und die seltsame Musik nachts …« Sie schauderte theatralisch.
Emma sagte: »Wahrscheinlich versuchen die Jungen, uns Angst zu machen.«
»In dem Fall machen sie ihre Sache ausgesprochen gut.«
Emma musste ihr im Stillen recht geben.
Lizzie warf einen Blick über die Schulter, dann fuhr sie fort: »Sie sagen, es sei der Geist von Lady Weston – der ehemaligen Lady Weston, meine ich. Henrys und Phillips Mutter.«
Emma lief ein unvernünftiger Schauder über den Rücken. »Das habe ich auch gehört«, gab sie zu. »Aber es ist Unsinn. Warum sollte sie diesen Ort heimsuchen wollen?«
Lizzie sagte: »Vielleicht war sie nicht glücklich, dass Sir Giles wieder geheiratet hat, so schnell nach ihrem Tod. Henry war es jedenfalls nicht.«
»Lizzie.« Jetzt war Emma dran, zur Tür zu sehen. »So etwas darfst du nicht sagen.«
»Glauben Sie nicht an Geister?«, fragte Lizzie.
»Nein«, sagte Emma entschlossen und dachte an den seltsam tröstlichen Handabdruck auf ihrem Spiegel – ein Abdruck, der von einem sehr lebendigen Wesen hinterlassen worden war.
12
Während sie sich … bemühte, eine höchst wünschenswerte
Verbindung für ihn zustande zu bringen, sollte man da vermuten,
dass er die ganze Zeit über mit einer anderen versprochen war!
Ein solcher Verdacht wäre ihr nie in den Sinn gekommen!
Jane Austen, Gefühl und Verstand
Henry saß in seinem kleinen Arbeitszimmer am Schreibtisch, trug seine jüngsten Beobachtungen über das Wetter und die Gezeiten ein und verglich
Weitere Kostenlose Bücher