Die Tochter des Königs
sonst käme mir noch jemand zuvor.« Er zögerte. »Aber ich bin davon ausgegangen, dass dein Vater seine Zustimmung verweigern würde.« Er fasste ans Zaumzeug und brachte das Maultier zum Stehen. »Eigentlich wollte ich dich heute nicht mit dieser Frage überrumpeln, wo du so unglücklich bist, Eigon. Ich weiß, es ist nicht gerade einfühlsam von mir.« Seine Stimme war sehr sanft. »Aber die Zeiten sind gefährlich und unsicher. Heute besteht die Gelegenheit, Großvater zu fragen, und wenn du einwilligst, möchte ich Petrus bitten, uns zu trauen.«
Sie sah ihn verblüfft an. »Heute?«
»Na ja, vielleicht morgen!« Er zuckte mit den Achseln.
Einen Moment starrte sie ihn ungläubig an, dann stieß sie einen kleinen Freudenj auchzer aus, sprang aus dem Sattel
und schlang ihm die Arme um den Hals. Das Maultier schrie unwillig. Lange Zeit blieben sie eng umschlungen in der Mitte der Straße stehen, gefangen in ihrem leidenschaftlichen Kuss. Erst ein mit Kohlköpfen beladener Wagen, der ihnen entgegenrumpelte, brachte sie in die Realität zurück. Als der Fahrer pfiff und Obszönitäten schrie, lösten sie sich lachend voneinander, und Julius hob Eigon wieder in den Sattel.
»Wir haben noch ein ganzes Leben vor uns, um uns zu küssen, mein Liebling. Schauen wir zu, dass wir ankommen, bevor es dunkel wird und Großvater sich Sorgen macht.« Er klatschte dem Maultier auf die Flanke, das empört lostrabte.
Es war spät, als sie schließlich in dem Haus außerhalb von Rom eintrafen, in dem Petrus die letzten Wochen verbracht hatte. Von außen war es ein schlichtes, unauffälliges Gebäude, aber die Innenhöfe und die Räume, in die sie geführt wurden, waren wunderschön möbliert und sehr behaglich.
Petrus begrüßte sie beide mit einem Kuss und führte sie in den Raum, in dem er arbeitete und seine Briefe schrieb. Als er sich zu ihnen drehte, fand Eigon, dass er älter und bedrückter aussah als bei ihrer letzten Begegnung. Seine Miene wirkte verwundert.
»Ich freue mich natürlich sehr, euch zu sehen, aber mir ist nicht klar, warum ihr hier seid. Wir haben die Nachricht bekommen, dass ihr Felicius im Bauernhaus erwartet. Er ist heute früh dorthin aufgebrochen.«
Julius runzelte die Stirn. »Da kann etwas nicht stimmen. Uns wurde gesagt, dass Großvater hier sei. Wir haben euch Obst und Gemüse aus dem Garten mitgebracht.«
Er warf einen Blick zu Eigon. »Unser Bote hat auch Nachrichten für Eigon überbracht.« Er machte eine kurze Pause.
»Das muss ein Missverständnis gewesen sein.« Seine Stimme wurde schärfer. »Wir haben doch den Boten nicht falsch verstanden?«
Petrus sah besorgt drein. »Ich hole Drusilla und fragen sie, wer Felicius heute früh die Nachricht überbracht hat.«
Er eilte hinaus, stützte sich dabei aber schwer auf seinen Stab. Julius schaute zu Eigon. »Ich habe kein gutes Gefühl.«
Sie nickte schaudernd. Ihre Aufregung und ihre Freude waren verflogen, zurück blieb eine eisige Kälte in der Magengrube. »Ist es möglich, dass Titus herausgefunden hat, wo Felicius ist?«, flüsterte sie. »Und wir? Dass er es die ganze Zeit schon wusste?«
Julius verzog das Gesicht. »Wer weiß, mein Liebling. Beten wir zu Gott, dass du Unrecht hast.«
Petrus kehrte in den Raum zurück, begleitet von einer hübschen Frau Mitte dreißig mit schwarzem Haar und dunklen Augen. Sie sah besorgt drein. Wie sich herausstellte, war sie Drusilla, die Cousine Pomponia Graecinas. »Es war ein junger Mann«, sagte sie. »Er klopfte an der Tür und sagte, ihr wäret in Sicherheit in den Bergen, und dein Großvater solle so bald wie möglich zu euch kommen.«
»Wie sah er aus?«, fragte Julius. Drusilla machte eine ausweichende Geste. »Ich habe ihn nicht gesehen. Er hat mit einer Sklavin gesprochen. Er sagte, er könne nicht warten, er müsse noch andere Haushalte mit ähnlichen Botschaften aufsuchen.« Nervös fuhr sie sich mit der Zunge über die Lippen und schaute zwischen Julius und Petrus hin und her. »Verstehe ich das recht, dass ihr diesen Boten gar nicht geschickt habt?«
Julius schüttelte den Kopf. »Ich nicht. Ich gehe zurück.«
»Ich komme mit.« Eigon griff nach seiner Hand, doch er entzog sie ihr sofort wieder. »Nein. Es ist besser, wenn ich
allein gehe. Allein bin ich schneller, und dann weiß ich, dass wenigstens du in Sicherheit bist.« Streng sah er zu ihr, dann wurde sein Gesicht wieder weicher, und er nahm ihre Hände in seine. »Ich leihe mir ein Pferd, dann bin ich sehr schnell
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