Die Tochter des Leuchtturmmeisters
ließ die andere aber noch eine Weile offen stehen. Archimedes war von der Couch gesprungen und streckte sich kräftig. Dann schlenderte er langsam näher, um den Neuankömmling zu beschnuppern. Karin beugte sich hinunter, um ihn zu streicheln, da machte er sofort einen Bogen, um der Berührung auszuweichen. Er setzte sich in passendem Abstand zum Feuer, das jetzt knisternd loderte, doch außer Karins Reichweite. Sie hörte ihn schnurren, als sie die zweite Scheibe am Kamin zuschob.
Das Haus lag auf der südlichen Seite der Bucht Muskeviken mit Ausblick auf die Boote und zum Teil auch auf die nördliche Hafeneinfahrt.
»Was für eine Aussicht«, sagte Karin.
»Ja, die ist schön, und unten im Jachthafen ist fast immer etwas los.«
Ein Spiegel hing über dem Flurtisch, auf dem das ältere Modell des Kobra-Telefons stand. Unter dem Tisch lag einansehnlicher Stapel Illustrierter, anscheinend ausländische. Das Haus war seit vielen Jahren nicht renoviert worden, man spürte am Geruch, dass ein älterer Mensch darin wohnte. Die Frau selbst roch wie jemand, der seine Kleidung öfter lüftet als wäscht, und Letzteres tat sie vermutlich mit der Hand. Sie roch nicht schlecht, sondern ganz einfach nach alter Frau. Ein Geborgenheit vermittelnder Geruch, der in der winzigen Küche am deutlichsten war, wo der unverkennbare Duft häufig gebrühten Kaffees und dazu servierten Backwerks die hellgelbe Malerfarbe wie eine extra Lackschicht überzog. Die Einbauküche stammte aus den fünfziger Jahren, und die abgeschrägten Hängeschränke waren unten schmal und oben breit. Genau wie in Großmutters Küche, dachte Karin.
»Wir trinken wohl eine Tasse«, sagte die Frau und schob die Schranktür auf, ohne ihre Antwort abzuwarten.
Das Wasser plätscherte fröhlich, als sie es in den Vakuum-Kaffeebereiter goss und ihn auf den Gasherd stellte. Karin ließ sich über die geniale Glaskonstruktion aus, die man nicht mehr häufig zu Gesicht bekam.
»Die gehen ja so leicht kaputt«, sagte Marta, bevor sie einen Augenblick verschwand, um dann mit einer Plastiktüte zurückzukehren, die mit schwarzen Buchstaben und einem Datum gekennzeichnet war.
»Ungarisches Gebäck, was nicht alle wird, muss ich einfrieren.«
»Stammst du aus Ungarn?«
»Meine Mutter stammte von dort. Ungarische Jüdin und eine stolze obendrein. Ich bin in Ungarn geboren, aber jetzt habe ich so lange in Schweden gelebt, dass ich mich wohl als Schwedin fühle.«
»Ich habe mit Elise und Sten Widstrand gesprochen. Elise sagte, du bist die richtige Person, wenn man sich nach Arvid Stiernkvist erkundigen will. Du hast vielleicht gehört, dass auf Pater Noster eine Leiche gefunden wurde, und jetzt ist sie als dieser Arvid identifiziert worden«, sagte Karin, die aufeinem der beiden Sprossenstühle am Küchentisch Platz genommen hatte.
»Wie wurde Arvid identifiziert?«, fragte Marta.
»Durch einen Ehering, und seine Witwe hat uns geholfen«, erwiderte Karin.
»Wer, hast du gesagt?« Marta hatte sich umgedreht, das Kaffeemaß war ihr aus der Hand gefallen. Sie schaute Karin an.
»Siri von Langer«, gab Karin zur Antwort. Marta schniefte verächtlich, als sie sich bückte, um das Kaffeemaß aufzuheben.
»Siri«, sagte sie vor sich hin, es klang wie ein Schimpfwort.
»Wie gut kanntest du Arvid?«, fragte Karin.
»Arvid«, sagte Marta und lächelte bei der Erinnerung. »Einer der absolut besten Menschen, die mir je begegnet sind.«
Die Wärme des Kamins breitete sich im Haus aus, und Archimedes hatte sich nun sogar an Karins Beinen gerieben. Sie fühlte sich wohl bei der Frau, sie redeten ungezwungen, fast genauso, wie Karin es mit ihrer Großmutter tat. Dunkelheit senkte sich vor dem Fenster. Der Kaffee war gut und das ungarische Gebäck göttlich. Der Figur bestimmt nicht zuträglich, aber zum Glück war es Freitag, redete sich Karin heraus und nahm ein weiteres Stück. Marta ging aus der Küche, um ein Foto zu holen, aber rief kurz darauf nach Karin.
»Möchtest du mir vielleicht helfen?«
Karin folgte ihr in das, was sich als Schlafzimmer herausstellte. Es war hell und luftig. Zwei Einzelbetten aus Birkenholz, über denen eine gehäkelte Tagesdecke lag, standen nebeneinander. In einer Ecke des Zimmers sah sie einen alten Waschtisch mit Marmorplatte. Die Wände zierten weiße Tapeten mit grünen Klettergewächsen und rosa Blüten. An der Wand über dem Waschtisch befanden sich mehrere Fotos, die meisten in Schwarzweiß.
»Es hängt irgendwie fest.« Marta
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