Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
aus dem die Spitze eines Palmzweiges, des Zeichens der
Unterhändler, hervorlugte. In seinem Gesicht las Maru grimmige Entschlossenheit.
»Bist du bereit, mein Freund?«, fragte er und sprang ins Boot.
»Du weißt doch, Tasil, wenn die Bezahlung stimmt, bin ich zu allem bereit.«
»Einen halben Barren Silber für heute, doch wenn es geht, wie ich denke, wirst du in den nächsten Tagen noch weit mehr verdienen können.«
»Das ist eine großzügige Bezahlung für ein bisschen Ruderarbeit«, erwiderte Hardis und sah Tasil nachdenklich an.
»Du bekommst das Silber nicht nur für das Rudern, sondern auch für das Schweigen, mein Freund. Also lass uns aufbrechen, die Zeit drängt.«
Der Kydhier grinste verschwörerisch und stieß das Boot vom Kai ab. Die Kette in der Einfahrt senkte sich rasselnd.
»Ich hoffe, es mindert meinen Lohn nicht, wenn du mir beim Rudern zur Hand gehst?«, fragte Hardis.
»Ich werde darüber nachdenken«, antwortete Tasil mit einem Grinsen, aber dann schnappte er sich eines der langen Ruder.
»Mädchen, sag an«, rief Hardis, als sie gemächlich auf die Einfahrt zu ruderten. Es war die Frage, die er zu Beginn jeder Fahrt stellte.
Maru schloss die Augen, sammelte sich und »lauschte nach innen«, wie sie es nannte, weil sie es besser nicht beschreiben konnte. Doch es blieb still, nicht die leiseste Unruhe war in ihr. »Die Erwachte ist nicht im Fluss, jedenfalls nicht in der Nähe«, verkündete sie.
»Dann schnell, bevor sich das ändert«, sagte Hardis.
Die beiden Männer legten sich in die Riemen und brachten den Kahn schnell aus dem Hafen, dann kämpften sie sich gegen die Strömung des Schwarzen Dhanis flussaufwärts. Maru nahm das Steuerblatt in die Hand und hielt sie auf Kurs. Diese Arbeitsteilung hatte
sich in den vergangenen Monden bewährt. Die Männer ruderten, Maru lauschte auf die Awathani und lenkte den Kahn. Der schmächtige Agir nahm ihr das immer noch übel, denn zu Anfang war er Steuermann gewesen. Als ihm Hardis verkündete, dass auch er künftig rudern müsse, hatte er sich wütend, aber wortlos gefügt. Offener Widerspruch war seine Sache nicht. Tasil ging zwar davon aus, dass die Zermalmerin kein Boot, in dem Maru saß, angreifen würde, aber ganz sicher war er sich dann doch nicht. Spürte Maru die Erwachte im Fluss, zogen sie sich ins flache Wasser zurück und warteten ab. Viermal hatten sie so Gelegenheit gehabt, den mächtigen Körper der Seeschlange aus der Nähe zu bewundern. Agir wurde jedes Mal fast ohnmächtig vor Angst, was ihm eine Menge Spott eintrug, Spott, der doch nur dazu diente, die Männer von ihrer eigenen Furcht abzulenken. Auch Maru spürte die Angst. Aber da war noch etwas: Sie hielt stets Ausschau nach dem Schatten, von dem sie annahm, dass er die Große Schlange begleitete. Maru war beinahe sicher, dass der Daimon nicht weit sein konnte – doch er zeigte sich nicht. Und je länger er sich nicht zeigte, desto beunruhigender fand sie es. Doch jetzt war es ruhig in ihr. Die Awathani war weit weg – und Utukku hoffentlich auch. Als sie den Hafen ein Stück hinter sich gelassen hatten, steckte Tasil den großen Palmzweig an den Bug.
»Wir fahren also wirklich zu Verhandlungen«, meinte Hardis.
»Denk daran, nicht für das Reden, sondern für das Rudern bekommst du das Silber«, brummte Tasil.
Hardis nickte, ruderte eine Weile schweigend und hielt dann plötzlich inne. Da Tasil es zu spät merkte und selbst gerade kräftig durchzog, kam der Kahn vom Kurs ab.
»Höre, Freund«, begann Hardis, »haben wir nicht gute Geschäfte miteinander gemacht?«
»Sehr gute. Und jetzt rudere weiter.«
Aber Hardis rührte sich nicht, und der Fisch drehte sich, langsam stromabwärts treibend, um die eigene Achse.
Tasil seufzte. »Also gut, was willst du?«
»Oh, ich denke nur nach. Das viele Silber, die eilige Fahrt, das seltsame Ziel. Mir scheint, da sind große Dinge im Gange.«
»Du bist klug, Hardis. Diese Dinge sind wahrhaft groß. Ein kleiner Mann kann leicht von ihnen zermalmt werden.«
»Ich bin weder klein, noch lasse ich mich von dunklen Drohungen schrecken, Urather.«
»Das war nur eine Warnung, keine Drohung, mein Freund. Aber gut, wenn du es unbedingt wissen willst – Luban will mit Numur über Frieden verhandeln.«
Hardis blieb der Mund offen stehen. »Frieden?«, fragte er schließlich, ähnlich entgeistert wie Tasil im Bet Kaidhan.
»So ist es. Frieden. Aber ich kann dich beruhigen. Ich glaube nicht, dass Numur auf das Angebot
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