Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
Tasil erschrocken zurückzuckte. Der mächtige Alldhan der Serkesch sah schrecklich aus: Die Augen lagen tief in den Höhlen, das Haar war wirr und ungepflegt, sein Gewand voller Flecken. Sein Gesicht war grau und schien um Jahre gealtert. Sein Blick irrte durch den Raum, bis er auf Tasil traf. »Du? Du? Du Fluch meines Geschlechts? Du wagst dich in mein Haus? Mit wertlosen Angeboten? Sag mir, warum ich dich nicht den Flussechsen zum Fraß vorwerfen soll, verfluchter Urather!« Seine Stimme überschlug sich, und sein Gesicht bekam rote Flecken. Maru dachte für einen Augenblick, das Sumpffieber hätte auch ihn befallen, doch Numur sprach nicht im Fieber.
Tasil antwortete gelassen: »Ich reise unter dem Schutz des Palmzweiges, Herr, und bin nur der Bote des Kaidhans, der dir Frieden anbietet.«
»Luban muss wissen, dass wir dieses Angebot nicht annehmen werden, Herr«, sagte Mahas vorsichtig.
»Weiß er das?«, rief Numur aufgebracht. »Wieso beleidigt er dann mich und meinen Vater, unseren Gott, und schickt diesen Verräter mit leeren Worten in mein Haus?«
»Es ist ein Zeichen guten Willens, Herr. Ich bin sicher, der Kaidhan wird begierig sein zu erfahren, was dein Wille in dieser Frage ist, hochgeborener Alldhan«, entgegnete Tasil bescheiden.
»Mein Wille? Weiß er es wirklich nicht? Gar nichts begehre ich für mich, doch mein Vater, Utu, unser Gott, ist beleidigt worden durch den Thronräuber Luban. Utu verlangt die Unterwerfung der Stadt, und er will, dass sein Sohn Platz nimmt auf dem Thron der Akkesch. Die Füße soll ihm der Kaidhan küssen und einen Tempel errichten. Die Götzenbilder Etellus aber soll er niederreißen!«, stieß der Alldhan hervor. »Erst wenn Luban vor Utu und mir im Staub liegt, erst dann wird Frieden sein! Ober-Kydhien? Ganz Akkesch gehört Utu. Das ganze, nicht nur ein Teil!«
»Ich verstehe, dass euer Gott zornig ist«, erwiderte Tasil bedächtig,
»aber vielleicht kann mir sein Hohepriester sagen, ob Utu nicht auch durch ein großes Sühnegeld besänftigt werden könnte.«
»Sühnegeld?«, zischte Numur. »Der Schatz des Kaidhans gehört bereits uns. Luban sitzt nur darauf. Nimmt er davon, so ist es Diebstahl, und man wird ihm die Hand dafür abhacken!«
Natürlich war die Bemerkung Tasils mehr an Abeq Mahas gerichtet als an den Alldhan, der offensichtlich nicht ganz bei Sinnen war. Und der Abeq hatte verstanden. Er legte Numur begütigend eine Hand auf den Arm und sagte: »Herr, der Wille Utus ist schwer zu ergründen. Wir sollten zu ihm beten und mit ihm das Angebot Lubans erörtern, auch wenn es unwürdig ist. Der Palmzweig verdient eine Antwort. Dein Vater war immer ein Mann, der Rat suchte, bevor er entschied.«
Der Alldhan warf ihm einen unsicheren Blick zu, dann nickte er. »Du hast recht, ehrwürdiger Abeq. Wir müssen meinen Vater befragen. Ich darf nicht vorschnell handeln, denn er ist kein Freund übereilter Entschlüsse. Und ich will nicht seinen Zorn wecken. Er sieht, was ich tue, er sieht es!«
»Erwarte unsere Antwort, Bote, wir werden uns beraten«, sagte Mahas zu Tasil, und er führte Numur am Arm vorsichtig aus dem Saal. Es sah beinahe aus, als müsse der alte Priester den jungen Fürsten stützen. Der Schab geleitete Tasil und Maru nach draußen.
Als sie aus dem stickigen Holzhaus traten, wurden sie von hinten angesprochen: »Tasil aus Urath, ich habe sehr gehofft, dich noch einmal zu sehen.«
Es war Fakyn.
»Es freut mich, dass ich in deiner Gunst zu stehen scheine, Kydhier«, entgegnete Tasil lächelnd.
»Gunst? Wenn du dich nicht hinter diesem Palmzweig verstecktest, würde ich dich mit meiner Axt bekannt machen«, lautete die wütende Antwort.
»Ich verstehe deinen Zorn nicht, Fakyn, denn wie ich sehe, bist du inzwischen weit gekommen. Glaubst du denn, das wäre auch geschehen, wenn sich unsere Wege nicht gekreuzt hätten, seinerzeit in Serkesch?«
Maru schluckte. Tasil wollte den Hünen wohl reizen, aber sie hielt das für keinen guten Einfall. Der Kydhier sah für einen Augenblick aus, als würde er sich mit bloßen Fäusten auf Tasil stürzen, doch plötzlich wurde er ganz ruhig. »Ich habe nicht vergessen, was seinerzeit geschehen ist, Urather. Und ich sage dir, dass du für deine Taten in dieser Stadt bezahlen wirst, und zwar noch bevor dieser Krieg zu Ende ist. Dies ist ein Versprechen!« Und damit drehte sich Fakyn um und verschwand wieder im Bet Alldhan.
»Er hasst dich wirklich, Onkel«, sagte Maru. Sie dachte an das, was in
Weitere Kostenlose Bücher