Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
Strydhs.« Er schüttelte den Kopf. »Dieses Ritual dauert nun schon beinahe drei Stunden. Es wäre ihrer Stadt besser gedient, wenn sie sich um die Verhandlungen kümmern würden.«
»Du hast noch gar nicht mit ihnen sprechen können?«, fragte Maru.
»Nun, Immit Uschparu ist ein Mann von einiger Einsicht und viel Vernunft. Mit ihm konnte ich reden, obwohl dieses endlose Fest bereits angefangen hatte.«
»Und was sagt er?«
»Er stimmt in den meisten Punkten zu, doch will er nichts unternehmen, bevor Luban sich nicht dazu geäußert hat. Und darauf warten wir nun.«
»Aber er hat doch vor, ihn zu hintergehen.«
Tasil antwortete mit einem schwer zu deutenden Lächeln: »Das sollte Luban aber nicht merken, oder?«
Das Ritual nahm seinen Fortgang. Der Kaidhan griff nach Opfergabe um Opfergabe, verneigte sich, flüsterte ein paar Worte und warf die Gabe dann in die Flamme. Der Innere Kreis murmelte seine Gebete, und von Zeit zu Zeit kam von den weiter entfernt Stehenden ein inbrünstiges »Wir erflehen es!«.
»Wie ist es mit Hardis gegangen?«, fragte Tasil.
Die Schmuggler. An die hatte Maru schon gar nicht mehr gedacht. »Es war keiner von den Männern des Tagors dort, Onkel, und Hardis hat gegenüber Gybad und Agir nichts gesagt. Und das, obwohl wir ihn gekränkt haben.« Und auf Tasils fragenden Blick hin erklärte sie: »Er weiß, wie viele Seile er in seinem Boot mitführt, Onkel, und er wusste, dass du mich geschickt hast, ihn zu belauschen.«
»Gekränkt also?«
»Er sagt, du kannst es mit Silber wiedergutmachen.«
Tasil schüttelte unwillig den Kopf. »Dieser Kydhier wird mir allmählich zu gierig. Wir sollten sehen, dass wir auch ohne ihn und seine Halsabschneider ans Ziel kommen.«
»Was ist denn unser Ziel, Onkel?«, fragte Maru ganz unverblümt.
Tasil starrte sie finster an und erwiderte: »Das wirst du noch früh genug erfahren, Kröte.«
Sie hätte sich sehr gewundert, wenn die Antwort anders ausgefallen wäre.
»Wir erflehen es!«, rief die Menge wieder einmal. Das Großopfer schritt voran, und der kleine Berg der Gaben nahm langsam,
aber stetig ab. Manchmal roch es nach verbranntem Fleisch, meist einfach nach brennendem Holz und Weihrauch. Einmal wurden sogar kostbare Gewänder verbrannt, was Maru in der Seele schmerzte, denn so fein gewirkte Kleider hatte sie nur selten gesehen und noch nie getragen. Sie blickte dem Rauch nach, der durch die offene Decke abzog und dort oben von den Strahlen der tief stehenden Abendsonne vergoldet wurde. Hatten die Ulbaitai vergessen, dass die Zeit knapp war? Wenn Numur und Mahas erst einmal vom Untergang der Weizen-Flotte erfuhren, würden sie doch jede Verhandlung beenden. Aber das schien Luban nicht zu bekümmern. Unter peinlicher Beachtung jeder der vorgeschriebenen Handlungen brachte er umständlich Opfer auf Opfer. Endlich war die letzte Gabe von der heiligen Flamme verzehrt, und nach einem letzten »Wir erflehen es« war das Opferfest beendet. Luban reinigte sich in einem silbernen Becken die Hände, erflehte selbst noch einmal den Segen des großen Etellu-Kaidhan für die Versammelten und entließ die Menge. Priester löschten die heilige Flamme, sammelten die Asche und trugen das Opfergefäß hinaus. Die Verwalter und Schabai verließen den Tempel. Der eine oder andere wirkte, als habe ihn diese feierliche Opferung gestärkt, und er schien zuversichtlich dem nächsten Tag entgegenzusehen, doch vor allem bei den Höhergestellten sah Maru viele düstere Mienen. Sie wussten vermutlich besser über die verzweifelte Lage der Stadt Bescheid. Tasil und Maru blieben im Tempel, so wie auch der Sterndeuter Baschmu, sein Widersacher Upnu und der Immit, den Maru erst jetzt entdeckte. Er hatte sich wohl irgendwo im Hintergrund aufgehalten. Luban hatte seine Waschungen beendet. Er wirkte regelrecht aufgekratzt: »Hast du gesehen, Uschparu, mein Freund? Weiß und senkrecht stieg der Rauch auf.«
»Ein sehr gutes Zeichen, hochgeborener Kaidhan«, erwiderte Uschparu.
»Das meine ich auch. Die Wende zum Besseren, ich kann es spüren. Der Kriegsgott wird sich jetzt unserer Seite zuwenden. Ich sah eine Rauchwolke, die glich seinem Antlitz.«
»In dieser Angelegenheit gibt es Neuigkeiten, die wir besprechen müssen, Hochgeborener.«
»In welcher Angelegenheit?«
»Die Verhandlungen mit den Serkesch.«
»Sie haben eingewilligt? Ist es das? Oh, warum hast du das nicht gleich gesagt, guter Immit!«
»Ganz so ist es leider nicht, Hochgeborener.«
Lubans Lippen
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