Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
wie nahe der Zauberer damit der Wahrheit kam. Genau genommen war sie die Letzte, die den mächtigen Maghai gesehen hatte, gemeinsam mit Tasil, der dem Zauberer die Kehle durchgeschnitten und sie damit gerettet hatte.
»Aber du hast recht, Mädchen«, meinte Velne, »auch Jalis trug eine Schlangenhaut, und er wollte sie nicht mehr ablegen. Es heißt, sie sei das Geheimnis seiner Kraft gewesen. Aber er nahm die Haut von einem Awathan, der bereits tot war. Dieses weiße Band auf deiner Haut stammt von einer seiner lebenden Schwestern.«
»Aber was … was ist der Unterschied?«, stammelte Maru.
Velne starrte sie an, ohne zu antworten. »Sag, wer hat sie dir gegeben?«, fragte er dann lauernd.
»Der … der alte Dwailis, im Fenn.«
»Der alte Narr lebt noch? Das freut mich zu hören.«
Maru schüttelte den Kopf. »Er ist tot.«
Klias und Velne tauschten einen Blick. Dann sagte der Jüngere: »Es ist eigentümlich, Mädchen. Du triffst Jalis, und er verschwindet. Du triffst Dwailis, und er stirbt.«
»Lass sie«, bat Velne.
»Sie bringt die Ordnung aus dem Gleichgewicht, und sie ist eine Gefahr, nicht nur für die Bruderschaft, so viel ist sicher«, erwiderte Klias.
»Wie ist Dwailis gestorben?«, wollte Velne wissen.
Maru suchte nach den richtigen Worten. Aber Utukkus Bann verhinderte wieder, dass sie einfach erzählte, was geschehen war.
»Schlangenbisse«, sagte sie nur.
» Bisse ? Wie kann es sein, dass ein Maghai, alt und vielleicht verrückt, aber doch ein Maghai, gleich von mehreren Schlangen gebissen wurde? Da war doch noch jemand, oder? Als du geheilt wurdest und Dwailis starb? War es nicht so?«, fragte Velne.
Aber Maru sagte nichts. Sie konnte es nicht.
»Wenn wir noch einmal in ihre Gedanken eindringen würden«, schlug Klias vor. Er strich mit der Rechten nachdenklich über seinen geflochtenen Bart.
Der Ältere schüttelte den Kopf. »Nein, mein Freund. Ich verstehe nun, warum ich es heute Mittag nicht vermochte. Es ist nicht nur ihr Vater, der sich und auch ihre Bestimmung vor uns verborgen hat. Es ist die Große Schlange! Sie ist dort, lauert im Dunkeln. Sie könnte jeden von uns verschlingen. Und sie ist nicht allein. Da ist ein anderer Geist, ein weiteres Geheimnis, vielleicht noch älter und finsterer als die Zermalmerin. Siehst du nicht, dass sie nicht einmal über ihn reden kann, mein Freund?«
»Ich sehe vor allem die Bedrohung, die in ihr liegt«, antwortete Klias nüchtern.
»Du siehst nur das Dunkle«, widersprach Velne, »ich sehe hier auch eine … unerwartete Möglichkeit.«
Klias schnaubte verächtlich. »Und die Zermalmerin? Ich meine, wir sollten sie töten.«
»Kann man das?« fragte Maru aufgeregt. »Ich meine, könntet ihr das denn? Die Erwachte töten?« An diese Möglichkeit hatte sie noch gar nicht gedacht.
»Er hat nicht die Awathani gemeint, Nehis«, erwiderte Velne sanft.
Maru erbleichte.
»Aber keine Angst. Vorerst werden wir dir das Leben nicht nehmen, nicht, solange ich der Anführer unserer kleinen Gruppe bin.« Bei diesen Worten warf er Klias einen strengen Blick zu, den dieser mit versteinerter Miene erwiderte, dann fuhr er fort: »Du bist ein großes Rätsel, Nehis. Und das will ich lösen. Vielleicht erfahren wir dann auch mehr über den dunklen Gast, mit dem du dich eingelassen hast.«
Klias stutzte. »Augenblick. Dunkel, sagst du? Noch dunkler als ein Awathan?«
»Alfskrol«, erwiderte Velne knapp.
Klias öffnete den Mund und klappte ihn verblüfft wieder zu. Dann rief er ungläubig: »Ein Daimon ?«
Maru brachte kein Wort heraus.
Velne nickte grimmig. »Siehst du, mein Freund, wie stark er sein muss? Ein Daimon, ein Alfskrol, ein Wesen aus der Ersten Zeit, älter als Menschen, älter selbst als die Erwachte. Und wir müssen enträtseln, was dieses junge Weib mit ihm zu tun hat. Das Echo seines Zorns ist selbst in ihrem Blut noch zu hören.«
»Wenn sie im Bunde mit einem Daimon ist, verlange ich, dass wir sie töten. Damit bringen wir dieses Echo zum Verstummen«, erklärte Klias ruhig, aber sehr bestimmt.
»Verbunden, nicht im Bunde, mein Freund Klias«, betonte Velne. Und dann fuhr er fort, so als sei Maru gar nicht da: »Das Echo mag verstummen, wenn sie tot ist, doch nicht sein Ursprung. Und das könnte verhängnisvoll sein. Wer hat seit den Zeiten unserer Vätersväter je gehört, dass sich ein Daimon mit einem Menschen abgibt? Rätsel über Rätsel.« Velne verstummte. Plötzlich schlug er sich vor die Stirn: »Wie dumm ich doch bin,
Weitere Kostenlose Bücher