Die Tochter des Magiers 03 - Die Erwählte
wie unglaublich dumm! Sag, Kind, hast du uns zufällig gefunden, oder gesucht?«
»Gesucht, ehrwürdiger Velne«, antwortete Maru leise.
»Du hast Fragen, das sehe ich, und doch kannst du sie nicht stellen. Das heißt, sie betreffen den Daimon. Ist es nicht so?«
Maru strengte sich an und schaffte es, zu nicken. Dabei hatte sie gleichzeitig das Gefühl, als würde ihr eine unsichtbare Schlinge den Hals zuziehen.
»Klias, mein Freund, sage mir, wann hatte unser Volk zum letzten Mal mit einem Alfskrol zu tun?«
Der Jüngere runzelte missmutig die Stirn, dann erwiderte er: »Das war, als die Akkesch durch unsere Berge zogen. Wir haben ihnen gezeigt, wie ihr Feind zu bannen ist.«
»Und nun stehen wir im Land der Akkesch, und ein Mädchen
sucht unsere Hilfe, in der Angelegenheit eines Daimons. Das kann kein Zufall sein, mein Freund.«
Maru atmete schwer. Es kostete sie Kraft, nur über Utukku nachzudenken. Velne hatte recht, er war stark und mächtig. Und bekam er nur noch einmal ihr Blut, würde er noch viel mächtiger werden. Sie rang um Luft, und ihr war übel, so übel, dass sie das warnende Gefühl, das sich in ihrem Bauch meldete, zunächst gar nicht beachtete.
Klias fragte: »Worauf willst du hinaus, alter Freund?«
»Dieser Daimon. Er muss es sein. Seit hundert Jahren schwächt ihn unser Bann. Nun versucht er, sich zu befreien. Es wird sich bald entscheiden, ob es ihm gelingt oder nicht. Das fühle ich. Vielleicht ist das der wahre Grund dafür, dass wir hier sind.«
Klias nickte langsam. »Vielleicht hast du recht, Velne. Vielleicht sind wir hier, um die Pläne dieses Daimons zu durchkreuzen. Und was wissen wir über ihn? Nur, dass er mit diesem Mädchen verbunden ist. Heißt das nicht, dass sie wichtig für ihn ist? Und ist nicht klar, was wir in diesem Fall unternehmen müssen? Nun, Velne, ich denke, sie muss sterben, denn dann ist die Verbindung durchbrochen und der Plan des Alfskrols durchkreuzt. Und genau deshalb hat uns unser Weg hierher geführt, an diesen Ort, zwischen die alten, heiligen Gräber.«
Velne schüttelte den Kopf. »Es bedarf doch keiner drei Maghai, um dieses arme Kind zu töten. Das Unheil wurde von unseren Vätern und jenem geizigen Kaidhan angerichtet, der uns Silber statt Gold gab. Ich werde dieses Mädchen nicht für das Versagen dieser Männer bezahlen lassen.«
»Aber, Velne …«, begann Klias erneut, doch Velne schnitt ihm das Wort ab.
»Bin ich der Anführer unserer Gruppe, oder bin ich es nicht? Ich bin der Älteste von uns dreien, Klias, und ich sage, wir töten sie nicht. Oder möchtest du meine Führung in Frage stellen?«
Velne trat einen Schritt auf Klias zu. Klias wich nicht zurück. Maru starrte von einem zum anderen. Klias war deutlich größer als Velne und jünger, aber jetzt, da sie sich Auge in Auge gegen überstanden, sah Maru, dass Velne viel stärker war als der andere, dass sich hinter der freundlichen Miene eine große Kraft verbarg.
Plötzlich brach Belk durch das Unterholz, in der Faust ein Kaninchen. »Ich habe eins!«, jubelte er und stolperte in den Lichtkreis des Feuers.
»Nicht jetzt!«, herrschte ihn Klias an.
»Aber nein, gerade jetzt«, rief Velne. Er trat einen Schritt zurück, und so plötzlich, wie die Spannung angestiegen war, verflog sie auch wieder. »Das wird uns Gelegenheit geben, uns zu stärken und nachzudenken. Wir werden Kraft und Klugheit brauchen, für das, was ich auf uns zukommen sehe.«
Maru atmete tief durch. Sie war dem Tod also noch einmal entronnen. Doch ihr Blut warnte sie. In der Dunkelheit näherte sich schon neue Gefahr. Sie wollte etwas sagen, doch es kam nicht mehr als ein Krächzen heraus. Velne hörte sie und sah sie fragend an.
»Wir sind in Gefahr«, flüsterte Maru.
Schritte näherten sich. Die Maghai erstarrten und lauschten. Klias griff nach seinem Stab. Aber dann entspannten sie sich wieder.
»Das ist nur ein Mann«, meinte Velne und klang beinahe belustigt.
Es war wirklich nur einer, ein Krieger. Maru hörte das leise Klingen vom Metall seiner Rüstung. Er kam den gepflasterten Weg entlanggeschritten und blieb stehen, als er den Lichtkreis des Feuers erreicht hatte. Im Gürtel seines langen Schuppenpanzers, der ihm fast bis auf die Füße fiel, steckte ein Sichelschwert, und über der Schulter trug er einen kleinen Schild. Maru hielt ihn
für einen Schab. Die unsichtbare Schlinge um ihren Hals lockerte sich. Sie atmete auf – vor einem Schab musste sie keine Angst haben, nicht in der
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