Die Tochter des Magiers
Ruck seine Füße und begann, sich nach oben zu
hangeln. Von der Brücke aus gesehen wirkte es, als klettere er an einer
dünnen Feuersäule empor. Ganz ohne Blessuren ging es tatsächlich nicht
ab. Nur gut, daß LeClerc seine Brandsalbe dabeihatte.
Jedesmal wenn der Wind ihn packte, ging ein Aufstöhnen durch
die gespannte Zuschauermenge. Als er oben angelangt war, ergriff Mouse
seine Arme und hielt ihn fest, während LeClerc sich zu ihm beugte, als
wolle er ihm gratulieren. »Hast du ihn?« zischte er Mouse zu.
»Klar.«
»Bien.« LeClerc ließ ein Messer aus seinem
Ärmel gleiten und durchtrennte beide Seile.
Aus der Menge tönten aufgeregte Schreie, als das brennende
Seil in den See stürzte.
»Zieht ihr mich das restliche Stück rauf?« Luke konnte fast
schon wieder normal atmen. Er wußte, daß er teuflische Schmerzen haben
würde, sobald der Adrenalinstoß nachließ. Mouse half ihm auf die Füße.
Alle Kameras richteten sich auf Luke, aber er schaute sich suchend um.
»Roxanne?«
»Muß aufgehalten worden sein.« Mouse versetzte ihm einen so
kräftigen Klaps auf den Rücken, daß er schwankte. »Dein Hemd hat
gequalmt«, grinste er. »Das war nicht übel, Luke. Vielleicht könnten
wir nach San Francisco fahren und es auf der Golden Gate Brücke
wiederholen? Wäre das nicht toll?«
»Klar.« Er strich sich mit einer Hand durchs Haar, um
sicherzugehen, daß es nicht brannte. »Gute Idee.«
Vielleicht war es dumm und kindisch, aber
Luke war wirklich stocksauer, als er noch ganz erfüllt von seinem
Triumph, ins Schlafzimmer kam, wo er Roxanne ausgestreckt auf dem Bett
fand.
»Na, das ist ja toll.« Er warf seine Schlüssel auf die
Kommode. Roxanne öffnete stöhnend die Augen. »Ich habe geglaubt, du
hättest irgendeinen lebensgefährlichen Unfall gehabt, und dabei liegst
du hier und machst ein gemütliches Nickerchen.«
»Luke …«
»Es war anscheinend nicht besonders wichtig für dich, daß ich
seit Monaten an dieser Nummer gearbeitet habe, daß es die tollste Sache
war, die ich bisher gemacht habe, oder daß du versprochen hattest, du
würdest bei mir sein.« Er marschierte zum Fußende des Betts, musterte
sie kurz mit einem finsteren Blick und wandte sich ab. »Da erwartet man
ein bißchen Unterstützung von seiner Frau …«
»Seiner Frau?« Roxanne richtete sich auf. »Tu doch nicht so,
als gehörte ich irgendwo zwischen deine Seidenanzüge und deine
CD-Sammlung.«
»Du bist mir mehr wert als meine CD-Sammlung, aber
offensichtlich bedeute ich dir nicht besonders viel, was?«
»Sei nicht so blöd.«
»Verdammt, Rox, du wußtest, wie wichtig das für mich war.«
»Ich wollte ja kommen, aber ich …« Sie brach ab, als
ihr Magen von neuem rebellierte. »Ach, Scheiße.« Hastig rappelte sie
sich hoch und stürzte ins Bad.
Als es vorüber war, stand Luke mit einem feuchten Tuch und
reumütigem Gesicht neben ihr. »Komm, Baby, ich bringe dich wieder ins
Bett.« Widerstandslos ließ sie sich von ihm zurücktragen. »Tut mir
leid, Rox.« Sanft wusch er ihr das verschwitzte Gesicht ab. »Ich platze
hier rein und falle über dich her, ohne dich auch nur einmal richtig
anzuschauen.«
»Sehe ich schlimm aus?«
»Frag nicht.« Er küßte ihre Stirn. »Was ist los?«
»Ich dachte, es seiendie Pfannkuchen«,
seufzte sie. »Ich hatte gehofft, du würdest auch ganz grün nach Hause
kommen.«
»Mir geht's leider gut«, lächelte er. Ihre Stirn war feucht,
aber Fieber hatte sie offenbar keines. »Ich würde sagen, du hast dir
irgendeinen Virus eingefangen. So was kommt oft wie angeflogen.«
Wenn sie nicht so schwach gewesen wäre, hätte sie noch
empörter protestiert. »Aber ich kriege so was nie.«
»Eben«, nickte er. »Nur wenn du dir mal was einfängst, dann
richtig.« Abgesehen von dem Anfall von Seekrankheit an Bord der Yankee Princess hatte er sie
tatsächlich noch nie angeschlagen erlebt. Bis jetzt.
»Ich muß mich einfach noch ein bißchen ausruhen. Es geht mir
bestimmt bald wieder gut.«
»Roxanne.« Luke legte das Tuch zur Seite und nahm ihr Gesicht
in beide Hände. »Du gehst nicht mit.«
Sie versuchte entrüstet, sich aufzusetzen. »Oh doch. Die ganze
Sache war schließlich meine Idee, und ich lasse mir den Spaß bestimmt
nicht entgehen, bloß weil ich einen schlechten Pfannkuchen gegessen
habe.«
»Es waren nicht die Pfannkuchen«, verbesserte er. »Aber das
spielt überhaupt keine Rolle. Auf alle Fälle geht es dir hundeelend.«
»Gar nicht. Mir ist nur ein bißchen
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