Die Tochter des Magiers
Kiste raus ist.«
»Ich bringe ihn zu dir.« Sie küßte die eingefallene Wange,
aber Max war bereits wieder mit seinen Bällen beschäftigt.
Als Roxanne die Treppe hinunterging, hatte
sie sich ihre Strategie zurechtgelegt. Luke war zurück, davor konnte
sie nicht die Augen verschließen. Auch seine Bindung an Max konnte sie
nicht einfach beiseite schieben. Aber sie würde ihn keine Sekunde
allein lassen, wenn sie ihm einen Besuch erlaubte.
Sie würde mit ihm zusammenarbeiten, weil sein Vorschlag sie
faszinierte und weil er, falls er sich in den letzten fünf Jahren nicht
grundlegend geändert hatte, einfach der Beste war – sei es auf
der Bühne oder beim Safeknacken.
Anschließend jedoch würde sie ihren Anteil nehmen und ihrer
Wege gehen.
Nur gab es da auch noch Nathaniel.
Roxanne blieb auf der vorletzten Stufe stehen und hob einen
kleinen Ferrari auf. Sie steckte ihn in ihre Tasche und dachte an das
Kind, das damit gespielt hatte und das jetzt im Kindergarten war.
Durfte sie Luke für alle Zeit verschweigen, daß dieses Kind existierte?
Ach, ich brauche einfach mehr Zeit, sagte sie sich, als sie in
die Küche ging.
Es war ihrem Seelenfrieden nicht gerade zuträglich, Luke dort
vorzufinden. Er saß mit einer Tasse Kaffee in einer Hand und dem Rest
seines Beignets in der anderen am Tisch und schien sich ganz zu Hause
zu fühlen.
LeClercs lachendem Gesicht war anzusehen, wie sehr er sich
freute, den verlorenen Sohn wieder daheim zu haben. Er schien liebend
gern bereit zu sein, alles zu vergeben und zu vergessen. Roxanne war
nur noch entschlossener, nicht ebenfalls weich zu werden.
»Kann mich nicht erinnern, daß dich jemand eingeladen hat,
Callahan.«
Er lächelte unbekümmert. »LeClercs Kochkünste gehören zu den
Dingen, die ich am meisten vermißt habe.«
»Dieser Junge war schon immer völlig verfressen. Setz dich,
Mädchen. Ich mach dir Kaffee.«
»Nein, danke.« Sie wußte, daß ihre Stimme kühl klang und
fühlte einen kleinen Stich, als LeClerc den Blick abwandte. Verdammt,
sollte sie etwa eine Blaskapelle zum Empfang aufspielen lassen? »Wenn
du mit deinem petit dénuer fertig bist, könnten
wir vielleicht an die Arbeit gehen.«
»Bin schon soweit.« Er stand auf und schnappte sich rasch noch
ein Stück Gebäck. »Ich nehme nur noch was für unterwegs mit.« Er
zwinkerte LeClerc zu, ehe er zur Tür hinausschlenderte. »Macht er immer
noch die ganze Arbeit im Garten selbst?« fragte Luke, als sie über den
Hof gingen, in dem es überall grünte und blühte.
»Gelegentlich läßt er sich von …« Nate.
»… Von einem von uns helfen. Aber an seine Rosen darf immer
noch niemand ran.«
»Er sieht kaum älter aus. Ich war richtig erleichtert.« Er
griff nach Roxannes Hand, als sie die Tür zum Arbeitsraum öffnete. »Du
kannst es sicher nicht verstehen, aber ich hatte Angst, sie hätten sich
alle sehr verändert. Aber als ich eben in der Küche saß, war es genau
wie früher. Der Geruch, die Geräusche, das Gefühl – ganz wie
früher.«
»Das macht die Sache ja um so leichter für dich.«
Er wünschte, er könnte es ihr übelnehmen, daß sie so
verbittert war. »Nicht ganz. Du hast dich verändert, Rox.«
»Findest du?« Sie wandte sich um. Seine Nähe verwirrte sie,
aber sie würde nicht zurückweichen. Kühl lächelte sie ihm zu.
»Es hat eine Zeit gegeben, da konnte ich dir jeden Gedanken
vom Gesicht ablesen«, meinte er. »Aber auch das ist anders geworden. Du
siehst unverändert aus, du riechst noch immer so wie früher und klingst
auch so. Ich glaube, wenn du in meinem Bett lägst, würdest du dich auch
noch genauso anfühlen. Aber trotzdem ist irgend etwas anders geworden.«
Nachdenklich strich er mit der Hand über ihre Wange. »Manchmal
erscheinst du mir wie eine andere Frau.«
»Ich bin genauso, wie ich sein will.« Sie schob die Tür auf.
»Ich habe mich eben weiterentwickelt.« Sie knipste das Licht an und
betrat den großen Arbeitsraum mit seinen bunten Kisten, den langen
Tischen und den vielen Requisiten. »Also, du hast die Vorstellung
gesehen. Dann weißt du ungefähr, wie ich jetzt arbeite. Mein Stil ist
elegant, gelegentlich spektakulär, aber alles soll anmutig und flüssig
präsentiert werden.«
»Ja, wirklich hübsch.« Luke biß kräftig in sein Beignet, daß
der Puderzucker zu Boden rieselte. »Vielleicht ein bißchen zu feminin.«
»Findest du?« Sie griff nach einem silbernen Dolch mit
juwelenbesetztem Heft, den sie als Requisit benutzte. »Du
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