Die Tochter des Magiers
anschauen.«
»Was denn?«
»Das hier!« Triumphierend schwenkte Lily den Test vor seinem
Gesicht. »Sieh mal, was unser Luke gemacht hat, ohne jemandem ein
einziges Wort zu sagen.«
»Ich würde es mir ja gern ansehen, wenn du mal stillhältst.«
Er warf Luke einen anerkennenden Blick zu. »Sieh an, du hast dich
endlich entschieden, deinen Verstand zu gebrauchen. Und wie man sieht,
mit hervorragendem Resultat.«
»Es ist doch nicht so wichtig.« Nun war er wirklich verlegen.
So viel Wirbel wegen einer dummen Note. »Es ging bloß darum, etwas
auswendig zu lernen.«
»Mein lieber Junge.« Max strich Luke über die Wange. »Das
ganze Leben besteht nur aus Lernen. Wenn du das einmal begriffen hast,
gibt es kaum etwas, das du nicht schaffen kannst. Das hast du gut
gemacht. Sehr gut.«
Als Max und Lily zurück auf die Bühne gingen, um die nächste
Nummer vorzubereiten, blieb Luke regungslos stehen und genoß diese
unglaubliche Freude. Sie wurde allerdings ein wenig getrübt, als er
sich umdrehte und feststellte, daß Roxanne ihn aufmerksam musterte.
»Was gibt's hier so zu glotzen?«
»Dich«, sagte sie einfach.
»Laß das.« Er stapfte davon.
Roxanne schaute ihm lange nach. Wie immer, wenn sie verwirrt
war.
Die Schule war gar nicht so schlecht. Luke
entdeckte, daß er es einigermaßen aushalten konnte, und er schwänzte
höchstens einen oder zwei Tage pro Monat. Seine Zensuren waren gut. Er
bekam zwar nicht dauernd Einsen wie Roxanne, aber ihm reichte es.
Eines Tages brachte ihn ein blaues Auge und eine blutige Lippe
allerdings zu der Erkenntnis, daß er auch sonst noch einiges zu lernen
hatte. Während er sich wutschnaubend auf den Heimweg machte, mit blauen
Flecken und um drei Dollar und siebenundzwanzig Cent Taschengeld ärmer,
plante er seine Rache. Er wäre mit ihnen fertiggeworden, mit allen
dreien, diesen dreckigen Fieslingen, wenn der Direktor, dieser blöde
Kerl, nicht eingegriffen und der Sache ein Ende gemacht hätte.
In Wirklichkeit hätte Luke wohl mindestens zwei blaue Augen
davongetragen, wenn Mr. Rampwick nicht erschienen wäre, aber sein Stolz
ließ ihn die Sache anders sehen. Er hoffte nur, daß er sich zu Hause
waschen konnte, ehe ihn irgend jemand sah. Vielleicht ließen sich die
schlimmsten Spuren mit Schminke überdecken.
»Was hast du denn gemacht?«
Luke verfluchte sich dafür, daß er vor sich hingestarrt hatte
statt aufzupassen. Um ein Haar wäre er mit Roxanne zusammengestoßen.
»Geht dich nichts an.«
»Du hast dich geprügelt.« Roxanne schwang ihre rosafarbene
Büchertasche über die Schulter und stemmte eine Hand in die Hüfte. »Das
wird Daddy gar nicht gefallen.«
»Scheiß drauf.« Doch ganz wohl war ihm nicht. Ob Max ihn
bestrafen würde? Er würde ihn bestimmt nicht schlagen, das hatte er
versprochen. Aber so sehr Luke sich auch wünschte, es glauben zu
können, blieb immer noch ein Rest Zweifel.
»Deine Lippe blutet.« Seufzend kramte Roxanne ein Taschentuch
heraus. »Hier. Nein, nicht mit der Hand abwischen, sonst verschmierst
du bloß alles.« Geduldig tupfte sie ihm die Wunde ab. »Setz dich mal
hin, ich komme sonst nicht richtig ran. Du bist zu groß für mich.«
Brummelnd ließ sich Luke auf der Treppe eines Ladens nieder.
Es war ihm ganz recht, noch ein bißchen Zeit zu haben, ehe er nach
Hause kam. »Gib her, ich kann das selbst.«
Roxanne betrachtete interessiert sein Auge, das sich bereits
blau verfärbte. »Hast du jemanden geärgert?«
»Ja. Sie waren sauer, weil ich mein Geld nicht rausrücken
wollte. Jetzt halt die Klappe.«
»Sie haben dich verprügelt und dir dein Geld abgenommen? Wer?«
Die Demütigung machte ihm weit mehr zu schaffen als seine
Verletzungen. »Dieser Dreckskerl Alex Custer. Ich hätte mich schon
gegen ihn behauptet, wenn mich nicht zwei seiner schleimigen Kumpane
festgehalten hätten.«
»Wo sind sie hin?« Zu Lukes Verblüffung sprang sie auf. »Wir
holen Mouse und zahlen es ihnen heim.«
»Wir? Von wegen!« Er grinste, obwohl seine aufgeplatzte Lippe
dabei wie Feuer brannte. »Du bist bloß ein Kind – und noch
dazu ein Mädchen. Au!« Roxanne hatte ihm kurzerhand einen kräftigen
Tritt gegen das Schienbein versetzt. »Was soll das, verdammt?«
»Ich kann mich wehren«, fauchte sie. »Wer
hat denn hier ein zerschlagenes Gesicht? Du!«
»Und jetzt noch ein gebrochenes Bein«, entgegnete er. Obwohl
sie ihn getreten hatte, fand er ihre Hitzköpfigkeit eher komisch. »Ich
kann mich auch wehren. Ich brauche keine Hilfe,
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