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Die Tochter des Magiers

Die Tochter des Magiers

Titel: Die Tochter des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Handfläche
drückte, wunderte sie sich, daß die Regentropfen auf ihrer Haut nicht
zischten.
    »Rox … wir sollten besser …« Er verstummte.
Nur wenige Meter entfernt ging ein Mann an ihnen vorbei. Luke hatte ihn
sofort erkannt.
    Wie hatte er auch nur einen Moment lang vergessen können, daß
er sich an diesem Abend noch seiner Vergangenheit stellen mußte?
    Roxanne durfte von dieser häßlichen Sache nie etwas erfahren.
    »Geh rein«, befahl er.
    »Aber Luke …«
    »Geh rein. Jetzt gleich.« Er schob sie auf das Tor zu. »Ich
habe noch etwas vor.«
    »Ich warte auf dich.«
    »Nein.« Ehe er sich umwandte, sah sie flüchtig den gequälten
Ausdruck in seinen Augen.
    Luke verschwand in der Dunkelheit, um seinen ehemaligen
Peiniger zu treffen.
    »Ist eine ganze Weile her, Junge«, nickte
Al Cobb. Der schmuddelige Stripteaseschuppen in der Bourbon Street war
genau die richtige Umgebung für ihn. Es roch nach abgestandenen Drinks,
und in der unpersönlichen Atmosphäre mühten sich ein paar verhärmte
Frauen mit plump-erotischen Darbietungen ab.
    Luke hatte einen Arm über die Rückenlehne seines Stuhls gelegt
und zwang sich, Ruhe zu bewahren. Mit aller Kraft unterdrückte er die
häßlichen Erinnerungen, die in ihm aufblitzten. »Was willst du?«
    »Einen Drink, eine kleine Unterhaltung.« Cobb musterte die
Brüste der Kellnerin und starrte abschätzig auf ihre Hüften. »Bourbon,
einen doppelten.«
    »Black Jack«, bestellte Luke, da er heute etwas Stärkeres
brauchte als sein gewohntes Bier.
    »Der richtige Drink für einen Mann«, grinste Cobb und zeigte
seine tabakfleckigen Zähne. Die jahrelange Abhängigkeit von der Flasche
war nicht spurlos an ihm vorübergegangen. Selbst in dem trüben Licht
konnte Luke das Gewirr der geplatzten Äderchen in seinem Gesicht sehen,
wie es typisch für Trinker war. Er hatte außerdem beträchtlich an
Gewicht zugelegt, so daß sein Strickhemd sich über der Taille spannte.
»Ich habe gefragt, was du willst.«
    Cobb schwieg, bis die Drinks vor ihnen standen. Er nahm einen
tiefen Schluck und schaute zur Bühne, wo ein üppiger Rotschopf sich aus
ihrer Verkleidung als französisches Zimmermädchen schälte.
    »Mensch, sieh dir diese Titten an.« Cobb stürzte seinen Drink
hinunter und bestellte mit einer Handbewegung einen neuen. Er grinste
Luke an. »Was ist los, Junge? Magst du keine Möpse?«
    »Was machst du in New Orleans?«
    »Bißchen Urlaub.« Cobb leckte sich die Lippen, während die
Tänzerin ihre Brüste knetete und wippen ließ. »Da ich schon mal in der
Nähe war, dachte ich, ich schaue mal nach dir. Willst du nicht wissen,
wie's deiner Mutter geht?«
    Luke nippte vorsichtig an seinem Whiskey. Die Wärme des
Alkohols taute seine erstarrten Muskeln ein wenig auf. »Nein.«
    »Das gehört sich aber«, meinte Cobb mißbilligend. »Sie lebt
jetzt in Portland. Wir treffen uns immer noch ab und zu. Sie fing an,
mir Geld dafür abzuknöpfen, verstehst du?« Er zwinkerte Luke vielsagend
zu und freute sich, als er sah, wie Luke die Zähne zusammenbiß. »Aber
die alte Maggie ist sentimental genug, um mich kostenlos
drüberzulassen, wenn ich mal bei ihr reinschaue. Soll ich sie von dir
grüßen?«
    »Nein. Ich habe ihr nichts zu sagen.«
    »Das ist aber echt mies.« Cobb kippte einen weiteren Bourbon
hinunter, während die Musik lauter und wilder wurde. Ein Mann versuchte
auf die Bühne zu klettern und wurde sofort aus dem Lokal geworfen. »So
warst du schon immer. Wenn du noch ein bißchen geblieben wärst, hätte
ich dir etwas Respekt eingebleut.«
    Luke beugte sich vor. Seine Augen blitzten. »Oder mich zum
Stricher gemacht.«
    »Du hattest ein Dach über dem Kopf und was zu essen im Bauch.«
Cobb zuckte die Schultern. »Ich hab bloß eine kleine Gegenleistung
erwartet.« Es fiel ihm nicht ein, Respekt vor Luke zu haben. Er wußte
noch ganz gut, wie leicht er den Jungen mit ein paar kräftigen Hieben
hatte einschüchtern können. »Aber das liegt jetzt hinter uns, was? Du
bist ja neuerdings eine ganz große Nummer. Mich hätte fast der Schlag
getroffen, als ich dich im Fernsehen sah.« Er schnaufte.
»Zauberkunststücke, Herrgott im Himmel. Hast wohl gelernt, wie du
deinen Zauberstab richtig gebrauchen mußt, was Luke?« Er brüllte vor
Lachen über seinen Witz, bis ihm die Tränen in die Augen traten. »Du
und dieser alte Knabe habt euch ja ein paar erstklassige Puppen dafür
zugelegt.«
    Sein Lachen verstummte abrupt, als Luke ihn am Kragen packte
und zu sich heranzog.

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