Die Tochter des Magiers
Ihre Gesichter waren sich so nahe, daß Luke den
Whiskey in Cobbs Atem riechen konnte. »Was willst du?« wiederholte er
gefährlich leise.
»Willst du frech werden, Junge?« Er griff mit seinen dicken
Fingern nach Lukes Handgelenk und merkte überrascht, wie kräftig er
geworden war. Aber an seiner Überlegenheit hatte er dennoch keine
Zweifel. »Willst du dich etwa mit mir anlegen?«
O ja, das wollte er, mehr als alles andere auf der Welt. Aber
tief in ihm gab es immer noch den verängstigten kleinen Jungen, der an
den peitschenden Ledergürtel dachte. »Ich will dir nicht noch mal über
den Weg laufen.«
»Wir leben in einem freien Land.« Cobb war klug genug, um zu
wissen, daß ein Streit ihn nicht ans Ziel bringen würde. Er riß sich
los und bestellte einen weiteren Drink. »Das Problem ist nur, daß man
für jede Kleinigkeit zahlen muß. Du verdienst gutes Geld mit deinen
Zauberkunststückchen.«
»Das also ist es?« Luke hätte am liebsten gelacht, wenn ihm
der Ekel nicht die Kehle zugeschnürt hätte. »Du willst Geld?«
»Hab schließlich geholfen, dich großzuziehen, oder? Ich war so
was wie dein Vater.«
Jetzt mußte er tatsächlich lachen, aber es klang so zornig,
daß die in der Nähe sitzenden Gäste mißtrauisch zu ihnen
herüberschauten. »Verpiß dich.« Ehe er aufstehen konnte, packte Cobb
ihn am Hemdsärmel.
»Ich könnte dir und diesem alten Knaben, mit dem du dich
eingelassen hast, einige Schwierigkeiten machen. Ich bräuchte bloß ein
paar Zeitungsfritzen anrufen. Was meinst du, was die Fernsehproduzenten
denken würden, wenn sie ein paar hübsche Geschichten über dich lesen?
Callahan – so nennst du dich jetzt, was? Nur einfach Callahan.
Der Entfesselungskünstler – und Stricher.«
»Das ist eine Lüge.« Trotzdem wurde Luke bleich. Wieder einmal
überflutete ihn die Erinnerung an diese fetten Hände, die ihn
betatschten, an das heftige schwere Atmen. »Ich hab mich nicht von ihm
anrühren lassen.«
»Du weißt doch gar nicht, was passiert ist, nachdem ich dich
besinnungslos geprügelt hatte.« Cobb sah befriedigt, daß sein Bluff
funktionierte und genoß das ungläubige Entsetzen, den Ekel in Lukes
Augen. »Auf jeden Fall würden die Leute ins Grübeln kommen, nicht? Und
meinst du, deine süße kleine Puppe läßt sich noch mal von dir
flachlegen, wenn sie rausfindet, daß du zwölf alte schwule Böcke
bedient hast?« Er grinste gehässig. »Ob es eine Lüge ist oder Wahrheit,
spielt keine Rolle, Junge, wenn's erst mal gedruckt ist.«
»Ich bringe dich um«, stieß Luke angewidert hervor. Schweiß
trat ihm auf die Stirn.
»Wäre einfacher, mich zu bezahlen.« Zuversichtlich griff Cobb
nach einer neuen Zigarette. »Ich brauch gar nicht viel. Ein paar
tausend reichen für den Anfang.« Er blies Luke den Rauch ins Gesicht.
»Morgen. Danach schreibe ich dir gelegentlich mal eine Zeile und sag
dir, wieviel ich will und wohin du's schicken sollst.
Andernfalls … müßte ich den Zeitungsfritzen erzählen, daß du
dich an Perverse verkauft und deiner armen Mutter das Herz gebrochen
hast, als du einfach abgehauen bist und dich mit diesem Nouvelle
eingelassen hast. Es gibt bestimmt irgendwelche Gesetze, gegen die er
verstoßen hat, als er einfach einen kleinen Ausreißer aufgenommen hat.
Könnte auch so klingen, als hätte er noch eine andere Verwendung für
dich gehabt. Du weißt schon.« Er lächelte zufrieden über Lukes
angeekeltes Gesicht. »Am Ende fragen die Leute sich noch, ob er nicht
vielleicht das umsonst bekommen hat, wofür andere bei dir zahlen
mußten.«
»Laß Max aus der Sache raus.«
»Aber gern.« Cobb nickte bereitwillig. »Du bringst mir morgen
abend zweitausend hierher, um deinen guten Willen zu zeigen, und ich
verschwinde wieder. Falls du nicht auftauchst, muß ich eben einen Anruf
beim National Enquirer machen. Ich glaub nicht, daß all die lieben Kinderchen und
ihre Mommies und Daddies viel für einen Zauberer übrig haben, der auf
kleine Jungs steht. Für die Königin von England könnt ihr jedenfalls
bestimmt keine Vorstellung mehr geben, wenn man dich wegen
gewerbsmäßiger Unzucht anklagt. So nennt man das, glaub ich.« Cobb
lachte und stand auf. »Morgen abend. Ich warte hier.«
Luke blieb sitzen und rang nach Atem. Lügen, verfluchte Lügen.
Mit zitternder Hand griff er nach seinem Glas. Niemand würde im Ernst
glauben, daß Max …
Angeekelt preßte er seineHände vor die
Augen.
Cobb hatte recht. Wenn es erst einmal in den Zeitungen
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