Die Tochter des Magiers
Handgelenke und die
abgeschürften Fußknöchel. »Hatte ein paar Probleme mit den Fußfesseln.«
Er wehrte sie ab, als sie ihm folgen wollte. »Ich will mich umziehen.«
»Das muß behandelt werden. Laß mich …«
»Ich sagte, ich will mich umziehen.« Sein Blick war so kühl,
daß sie erstarrte. »Ich brauche niemanden, der sich um mich kümmert.«
Sie preßte die Lippen zusammen. Wußte er nicht, daß eine solch
kalte Abfuhr sie hundertmal mehr verletzte als ein wütendes Wort?
Trotzig hob sie das Kinn. Natürlich wußte er das.
»Warum behandelst du mich so, Luke? Nach gestern
nacht …«
»Ich war betrunken«, erwiderte er schroff, aber sie schüttelte
den Kopf.
»Vorher warst du nicht betrunken. Als du mich geküßt hast.«
Er hätte blind sein müssen, um ihren bittenden Blick nicht zu
sehen. Er fühlte sich krank, elend und hundemüde. »Du warst
durcheinander«, entgegnete er mit erzwungener Ruhe. »Und ich auch. Ich
wollte dich nur beruhigen, das ist alles.«
»Du Lügner. Du hast mich begehrt.«
Er lächelte absichtlich spöttisch, was ihm unglaublich
schwerfiel. »Baby, wenn ich etwas will, dann nehme ich es mir. Soviel
habe ich in den vergangenen zehn Jahren gelernt. Spar dir deine
Fantasien für deine kleinen Collegefreunde auf. Und jetzt hab ich noch
was zu tun, ehe die nächste Vorstellung anfängt.«
Er ließ sie stehen, schloß die Tür von innen und lehnte sich
mit einem tiefen Seufzer dagegen.
Gerade noch mal davongekommen, Callahan, dachte er. In mehr
als nur einer Hinsicht. Um endlich diese Schmerzen loszuwerden, machte
er sich rasch auf die Suche nach Aspirin. Er mußte sich noch mit Cobb
treffen, und dabei wollte er einen klaren Kopf haben.
Niemand kannte den Wert des rechten
Zeitpunkts besser als Maximilian Nouvelle. Er wartete geduldig bis nach
der zweiten Vorstellung, hatte auch nicht die Einwände von Lily und
Roxanne gehört, als Luke sich bei der Spätvorstellung erneut in die
Eisenkiste sperren ließ. Max wußte genau, daß ein Mann, der sich seinen
Dämonen nicht stellte, leicht von ihnen vernichtet werden konnte.
Zu Hause lud er Luke auf einen Schlummertrunk ins Wohnzimmer
ein und reichte ihm einen Brandy, noch bevor er ablehnen konnte.
»Ich bin nicht gerade in der Stimmung für einen Drink.« Schon
bei dem Gedanken an Alkohol krampfte sich Lukes Magen zusammen.
Max setzte sich in seinen Lieblingssessel und wärmte den
Brandy in seinen Händen an. »Nun, dann kannst du mir wenigstens
Gesellschaft leisten, während ich mir einen gönne.«
»Es war ein langer Abend«, wandte Luke ein.
»Allerdings.« Max deutete auf einen Sessel. »Setz dich.« Luke
gehorchte ohne einen Widerspruch. Max verfügte selbst heute noch über
diesen bezwingenden Blick, dem bereits der zwölfjährige Junge damals
gefolgt war. Er zog eine Zigarre heraus, spielte jedoch nur damit und
wartete.
»Es gibt alle möglichen Methoden, sich umzubringen«, begann
Max mit freundlicher Stimme, als wolle er eine Geschichte erzählen.
»Ich halte diesen Weg zwar generell für einen Ausdruck von Feigheit,
aber das muß jeder mit sich selbst ausmachen. Meinst du nicht auch?«
Luke war ratlos. Er wußte, daß Max stets etwas bezweckte, wenn
er scheinbar unverfänglich plauderte, und zuckte nur die Schultern, um
nicht unversehens in eine Falle zu tappen. »Sehr treffend ausgedrückt«,
sagte Max sarkastisch und nahm einen Schluck Brandy.
»Falls du so etwas noch einmal in Erwägung ziehst«, fuhr er
fort, »würde ich eine raschere, saubere Methode vorschlagen, wie zum
Beispiel den Gebrauch der Pistole, die im obersten Fach meines
Kleiderschranks liegt.« Ehe Luke sich von seiner Verblüffung erholen
konnte, hatte Max ihn schon blitzschnell mit seiner freien Hand am
Hemdkragen gepackt. Er zog ihn zu sich heran und schaute ihm direkt in
die Augen. Seine Stimme bebte vor Zorn. »Mißbrauche nie wieder meine
Bühne für einen feigen Selbstmordversuch.«
»Max, um Himmels willen.« Luke fühlte, wie die starken,
sehnigen Finger sich um seine Kehle schlossen und ihm die Worte
abdrückten, ehe Max ihn abrupt freigab.
»Ich habe nie eine Hand gegen dich erhoben.« Den ganzen Abend
über hatte er geschwiegen und sich nichts anmerken lassen, aber nun war
es mit seiner Selbstbeherrschung vorbei. »Ein Jahrzehnt ist es her,
seit ich dir dieses Versprechen gegeben habe, und ich habe es stets
gehalten. Doch ich warne dich. Wenn du jemals wieder so etwas machst,
werde ich dir Vernunft einbleuen.« Er musterte Luke
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