Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
aber nicht, wohin sie gehen sollte – vielleicht zu dem Teehaus, in dem ihre Freundin Toshimi an diesem Abend die Gäste unterhielt. Dort war ein Fest im Gange, und Taka könnte sich in die Küche zu den Dienerinnen setzen und es warm haben. Am liebsten hätte sie Okatsu mitgenommen, aber die musste im Haus bleiben, falls Fujino sie brauchte.
Draußen ging es so lärmend zu wie an einem Festtag, mit Stimmengewirr und Gelächter. Trotz allem hob sich Takas Laune bei der Aussicht, sich unter die Menge zu mischen. Zum ersten Mal würde sie allein unterwegs sein, denn für gewöhnlich wurde sie von Okatsu oder einer anderen Dienerin begleitet. Auch wenn die Geishas sich frei durch die Straßen bewegten, behielt ihre Mutter Taka gern im Auge. Als Tochter des großen Generals hatte sie einen Ruf zu wahren. Aber alle Regeln waren über den Haufen geworfen worden, da die Männer die Stadt am nächsten Tag verlassen würden.
Gerade wollte sie die Tür öffnen, als sie hörte, wie draußen Füße scharrten und stampften und jemand sich in die Hände blies.
»Das taugt nichts, ich sag’s dir«, grummelte eine Stimme in breitem Kagoshima-Dialekt. Die Worte klangen gedämpft, als spräche der Mann durch einen Schal. »Er hätte uns anweisen sollen, das Haus zu durchsuchen, bevor er hineinging. Vor allem, nachdem wir neulich Nacht diese Männer gefunden haben. Unter den Böden könnten Mörder sein. Sie könnten leicht hinuntergekrochen sein, sich dort versteckt haben und mit ihren Schwertern durch die Tatamis stechen, sobald er schläft.«
Taka erschrak und spitzte die Ohren, während sie sich zusammenreimte, was der Mann gesagt hatte. Er klang wie einer der Wachposten, die ihr Vater draußen postiert hatte. Typisch für ihren Vater, so sorglos mit seiner eigenen Sicherheit umzugehen. Mit keinem Wort hatte er erwähnt, welches Risiko er einging oder in welcher Gefahr er sich befand.
»Was, du meinst, irgendein Möchtegern-Mörder kriecht da runter und wartet tagelang, nur weil es sein könnte, dass unser Herr zufällig vorbeikommt? Der wäre doch längst erfroren oder verhungert«, kam die Antwort, gefolgt von einem Schnauben.
»Jeder hätte sich denken können, dass er an seinem letzten Abend in der Stadt hierherkommt.« Diese Stimme war strenger und älter. »Für einen Meuchelmörder würde es ein Leichtes sein, sich bei diesen Menschenmengen anzuschleichen. Wir dürfen in unserer Wachsamkeit nicht nachlassen. Wir haben längst noch nicht alle Verschwörer aufgespürt.«
»Und wo er doch so leicht zu erkennen ist. Gut, dass wir auch hinter dem Haus Männer postiert haben. Er hätte ein paar von uns mit reinnehmen sollen. Ich hab’s ihm gesagt, aber ihm war nicht beizukommen.«
»Würdest du Männer mit reinnehmen, wenn du die Nacht mit deiner Geisha verbringst?«
»Wenn ich nur drinnen wäre, statt mir hier draußen die Eier abzufrieren!«
Glucksen war zu hören.
»Er muss wirklich scharf darauf sein, sie zu sehen, wenn er so ein Risiko eingeht.«
»Buta-hime haben sie sie genannt«, sagte die ältere Stimme leise. »Prinzessin Schwein. Hinreißende Dame. Ich kann mich gut an sie erinnern. Wir alle, die wir in Kyoto gekämpft haben.«
Abrupt schob Taka die Tür auf. Sie wollte sich keine weiteren frechen Bemerkungen über ihre Mutter anhören.
Draußen standen fünfzehn bis zwanzig furchterregend aussehende Burschen in unförmigen Jacken, dicken Kimonoröcken und Beinlingen. Von ihren Gesichtern waren nur die wachsamen, hinter den Falten ihrer dunklen Tücher blitzenden Augen zu sehen. Einige waren groß, andere klein, manche schlank, andere stämmig. Wer gesprochen hatte, war unmöglich zu sagen. Lange Schwerter ragten unter den Säumen hervor, und sie hielten Gewehre in den behandschuhten Händen. Als Taka herauskam, nahmen sie Haltung an, verbeugten sich und machten ihr respektvoll den Weg frei.
Taka verbeugte sich ebenfalls und eilte die enge Straße entlang. Trotz der Kälte war sie voller Menschen, die nach Geishas Ausschau hielten, wenn sie aus einem Teehaus auftauchten und zum nächsten trippelten, ihre geschminkten Gesichter weiß schimmernd im Lampenlicht, umgeben von Gruppen ungehobelter junger Männer.
Taka schlüpfte durch die Menge, zog ihre Jacke fester um sich, als sie Schritte hinter sich hörte. Eine Hand packte sie am Ärmel.
Erschrocken fuhr sie zusammen. Sie hatte niemandem erzählt, dass sie das Haus verlassen oder wohin sie gehen würde.
»Tut mir leid, junge Dame. Sie können nicht
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