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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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allein gehen. Das ist zu gefährlich.«
    Das war die Stimme des Mannes mit dem Kagoshima-Akzent, die sie kurz zuvor gehört hatte, derjenige, der sich so sehr um die Sicherheit ihres Vaters gesorgt hatte. Mit einem erleichterten Seufzer drehte sie sich um. »Ich gehe oft bei Nacht spazieren.« Dieser Mann brauchte nicht zu wissen, dass sie noch nie allein draußen gewesen war.
    Der Wächter hatte sein Tuch vom Gesicht gezogen. Verwirrt sah sie ihn an. Sie hatte das Gefühl, ihn schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Sein kantiges Gesicht, die schmalen Augen und das zu einem kleinen Knoten aufgesteckte Haar hatten etwas Vertrautes.
    »Die Dinge haben sich geändert. Es hat Drohungen gegen den General gegeben. Man kann niemandem mehr trauen. Jemand könnte Sie entführen oder als Geisel nehmen.«
    Taka hatte die Fassung wiedergewonnen. Sie lachte. »Hier kennt mich jeder. Ich habe nichts zu befürchten.« Sie ging weiter, doch der Leibwächter fiel neben ihr in Schritt.
    »Dann gestatten Sie wenigstens, dass ich Sie begleite.«
    Sie seufzte. »Na gut, wenn Sie darauf bestehen. Wie ist Ihr Name?«
    »Kuninosuké Toyoda, gnädige Frau, Oberleutnant der Leibwache des Generals.«
    Kuninosuké Toyoda … der Name klang nicht vertraut, aber Menschen änderten oft ihren Namen, wenn sie eine neue Lebensphase begannen.
    »Sollten Sie nicht bei den anderen sein und ihn bewachen?«
    Er ruckte abschätzig mit dem Kinn. »Da sind schon genug Wachen.«
    Zum Ende der Straße hin waren die Häuser dunkler, und es waren weniger Menschen unterwegs. Taka hörte das Knirschen der Strohsandalen des Wächters auf dem gefrorenen Boden und sah, wie sich sein langer Schatten hinter dem ihren dehnte. Ihn in ihrer Nähe zu wissen, war unerwartet beruhigend.
    Sie hatten die Kreuzung im Zentrum des Vergnügungsviertels Daimonguchi und den rot bemalten Inari-Schrein mit seinen leuchtenden Laternen und den Steinfüchsen erreicht, an dem die Geishas immer haltmachten, um für Wohlstand und Glück zu beten. Im Lärm der ausgelassenen Festlichkeiten des Geisha-Bezirks war er eine Oase der Stille. Taka legte die Hände zusammen und warf eine Münze in den Kasten. Der Wächter trat neben sie, legte ebenfalls die Hände zusammen und verbeugte sich.
    Sie schob ihren Schal vom Gesicht. In der Ferne eilten dick vermummte Gestalten von hier nach da, und Lampions schimmerten. Im ganzen Viertel tanzten die Menschen. Lachen und Gesang, das Schlurfen der Füße und das schwermütige Klimpern der Shamisen drang aus den Teehäusern, in denen sich Männer dem Trunk und dem Vergnügen hingaben, ihre Verantwortungen, Pflichten und Dienstränge für eine Nacht beiseiteschoben. Am Morgen würden sie aufwachen, wieder Soldaten sein und in den Krieg marschieren.
    Aber Takas hartnäckigem Beschützer entging all der Trubel. Auch für ihn war es die letzte Nacht. Sie fragte sich, worum er betete – Erfolg in der Schlacht oder nur darum, lebend zurückzukehren?
    Er hob den Kopf. Seine Miene war ernst, als stünde er bereits auf dem Schlachtfeld, bereit, jeden Feind niederzuschlagen, der es wagte, ihm in die Quere zu kommen.
    »Wie schade, dass Sie heute Nacht Dienst tun müssen«, sagte Taka schüchtern.
    Er hob eine Augenbraue, als wäre er erstaunt, dass sie ihn ansprach, und verbeugte sich steif. »Nicht im Geringsten. Für mich ist es ein Glück. Der General hat mich für seine Leibwache ausgewählt. Das ist eine große Ehre. Ich würde es nicht anders haben wollen.«
    »Aber Sie ziehen bald ab«, beharrte sie. »Schon in ein paar Stunden. Haben Sie keine Angst?« Ihr Leben hatte sich verändert, und das zum Schlechteren, doch dieser Mann würde ins Unbekannte marschieren, vielleicht in die Schlacht, auf jeden Fall mitten im Winter hinauf in die Berge, ohne zu wissen, wo er die Nacht verbringen würde. Sie konnte sich nicht vorstellen, was für ein Gefühl es sein musste, am kommenden Tag in den Krieg zu ziehen.
    »Angst?« Er starrte sie an, dann begann er herzhaft zu lachen. Sein ganzes Gesicht hatte sich verändert. Er sah aus wie ein Junge. »Ich kann es kaum erwarten! Ich habe schon viel zu lange Däumchen gedreht. Ich will mein Schwert wieder in der Hand spüren. Darauf haben wir uns all diese Jahre vorbereitet. Wir werden dieses Land säubern. Wir werden nach Tokyo marschieren, diese korrupten Beamten hinauswerfen und eine Regierung aus ehrbaren Männern aufstellen. Das wird eine zweite Revolution sein, eine glorreiche Revolution.« Seine Augen glänzten.
    In

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