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Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)

Titel: Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Downer
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hatte. Wenn jemand ihn um den Finger wickeln konnte, dann war sie es. Sie konnte ihn im Auge behalten und ablenken, falls er anfing, Fragen zu stellen und herumzuschnüffeln.
    Taka wusste, dass sie gegen alle Regeln verstieß, doch das machte es nur noch spannender, vor allem, weil sie Eijiro trotzte. Sie war ganz aufgeregt. Endlich hatte sie etwas zu tun.

5
    Es war Hochsommer, eine Zeit, in der man ölige Speisen wie gebratenen Aal und geschmorte Auberginen aß und zur Abkühlung ins Kabuki-Theater ging, um sich grausige Geistergeschichten anzusehen, die einen zum Frösteln brachten. Die Dienstboten hatten die hölzernen Regentüren entfernt, die als Außenwände des Hauses dienten, sowie die bemalten Fusuma-Türen zwischen den Räumen, wodurch sich die Residenz in einen riesigen Pavillon verwandelte, die Böden bedeckt mit kühlen, schwach nach Reisstroh duftenden Tatamimatten, die einzelnen Räume nur durch die schlanken Holzsäulen getrennt. Von Zeit zu Zeit wehte eine leichte Brise hindurch. Fujino hatte sich drinnen ausgestreckt, wischte sich die Stirn und betätigte träge ihren Fächer.
    Nobu war draußen, half den Gärtnern dabei, ein Gestell anzubringen, um die überhängenden Äste einer uralten Kiefer zu stützen. Das ohrenbetäubende Schrillen der Zikaden erfüllte die Luft – min mi min mi dröhnte es von einem Baum, wa wa, tsuku tsuku von einem anderen. Er nahm das zusammengerollte Tuch ab, das er sich um den Kopf gebunden hatte, und wrang es aus. Schweiß platschte auf den trockenen Boden. Seine Happi-Jacke hatte er um die Taille verknotet. Kiefernnadeln kratzten an seiner Haut, Mücken schwirrten ihm ums Gesicht.
    Während er das Bambusgestell festzurrte und Seile aus Reisstroh um die Äste wickelte, summte er vor sich hin. Er war glücklich, glücklicher denn je, seit er seine Heimatprovinz verlassen hatte. Er hatte ein neues Heim gefunden. Fujino war nett zu ihm, die anderen Dienstboten waren freundlich, er hatte ein Dach über dem Kopf und konnte anständige Kleidung tragen. Außerdem lernte er. Sein Lesen und Schreiben verbesserte sich rasch.
    Wann immer Okatsu eine Gelegenheit fand – am späten Nachmittag, wenn Taka aus der Schule zurück war und Nobu in der Küche arbeitete oder die Gärten fegte –, tauchte sie auf und sagte: »Nobu, wir müssen etwas für das Abendessen pflücken.«
    Taka hatte entdeckt, dass Nobu alle Wildpflanzen kannte, die auf dem Anwesen wuchsen. Eines Tages, nicht lange nachdem sie mit dem Unterricht begonnen hatten, schlichen sie sich mit ihren Büchern in den Wald. Er hielt den Blick zu Boden gesenkt, wie er es immer tat, hielt Ausschau nach essbaren Wurzeln, Schösslingen, Knospen und Blättern, die im Moos und unter den Kiefern sprossen. Sie überquerten gerade den Bach, der sich zwischen den Bäumen schlängelte, als er an dem mit Gras und Wildpflanzen bewachsenen Ufer einen zarten beigen Schössling hervorspitzen sah.
    Rasch schob er das Gestrüpp beiseite, griff unten an den Stängel und brach ihn ab. Die Pflanze war feucht und schimmernd, hatte einen wabenförmigen Kopf und Blätter um den kleinen Stängel. Nobu schnupperte daran. Der schwache, erdige Geruch erinnerte ihn an seine Heimat im Norden, an Töpfe, die auf dem rußgeschwärzten Herd köchelten. Er hielt Taka die Pflanze hin und strahlte, als er sich umschaute und überall bleiche Schösslinge aus dem Boden ragen sah.
    »Schachtelhalme! Ich wusste nicht, dass die hier wachsen. Wir brauchen etwas, in dem wir sie tragen können. Der Koch kann sie zum Essen braten.«
    Taka roch an dem zarten Stängel und rümpfte die Nase. Nobu lachte laut. »Bei uns im Norden essen wir alles – Farnspitzen, Huflattich, Kletten, Pestwurz, es gibt so viele köstliche Dinge, die im Wald und in den Bergen wachsen.«
    »Das glaube ich dir nicht.« Sie kicherte und sah ihn mit großen Augen an.
    Er nickte, so ernst er konnte. »Wir essen auch Bienenlarven und Heuschrecken und Bärenfleisch, wenn es den Jägern gelingt, einen Bären zu erlegen und etwas davon zurückzubringen.« Bei dem Gedanken leckte er sich die Lippen. »Aber nur zu besonderen Gelegenheiten. Von allem, was es im Frühling gibt, sind Schachtelhalme das Beste. Man brät sie mit Sojasoße und ein wenig Sake kurz an. Sie sind wirklich schmackhaft. Wir brauchen eine Menge.«
    Sie holten Behälter aus dem Haus und brachten dem Koch später einen ganzen Korb voll. Er machte sich gleich ans Ausprobieren.
    Okatsu bekam den Auftrag, wild wachsende Gemüse zu

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