Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
ihrem Gesicht bemerkt haben, doch alle starrten wie gebannt auf Yamakawa und Eijiro. Niemand schenkte ihr auch nur die geringste Beachtung. Sie war bloß ein Mädchen, belanglos, unsichtbar wie die Dienerinnen.
Yamakawas Kopf fiel auf den Futon zurück, und er schnappte nach Luft, röchelte qualvoll, das Gesicht verzerrt. »Suzuki. Er wird’s dir erzählen.«
»Sprich nicht«, sagte Fujino. »Ruh dich aus.«
»Wir werden sie finden, wer immer sie sind.« Eijiros drohender Ton jagte einen weiteren Angstschauer über Takas Rücken. »Du bekommst deine Rache, das verspreche ich dir.«
Yamakawa keuchte mit einem schrecklichen, rasselnden Geräusch. Seine Lider flatterten, und er öffnete und schloss den Mund. Eijiro drückte das Ohr an die Lippen seines Freundes, doch es kamen keine Worte mehr, nur ein langes Seufzen, als sich Yamakawas Augen schlossen. Sein Körper sank auf den Futon, die Hände immer noch über der Brust verschränkt.
Eine schreckliche Stille trat ein. Dann stieß Eijiro ein schluchzendes Heulen aus. »Toshi!« Seine breiten Schultern bebten. Taka merkte, wie sie zu weinen begann.
Nach einer langen Weile hob Eijiro den Kopf, die Augen blutunterlaufen und verquollen. Mit wildem Blick starrte er um sich, und sein Ausdruck verwandelte sich von Qual in Wut. Suzuki kniete mit dem Gesicht auf den Matten, als wäre er derjenige, der gestorben war.
»Was ist passiert, Suzuki? Sag es mir. Was ist passiert?«
Hohläugig blickte Suzuki auf. Taka wagte sich kaum anzuhören, was er zu sagen hatte. Ihr Herz pochte laut. Angenommen, es war wirklich Nobu gewesen. Eijiro würde ihn auf der Stelle töten.
»Männer aus dem Norden«, stöhnte Suzuki. »Wie Toshi gesagt hat. Aus dem Norden.«
»Reiß dich zusammen, Suzuki. Du hast schon früher Männer sterben sehen. Ich will alles hören, jetzt, bevor der Inspektor eintrifft. Komm schon, spuck es aus.«
Suzukis Blicke schossen nervös herum. »Wir sind am Anwesen entlanggefahren, und sie sprangen aus dem Boden.«
»Aus dem Boden? Hältst du mich für einen Idioten?« Mit finsterer Miene machte Eijiro Suzukis näselndes Krächzen nach. Suzuki zitterte vor Angst.
»Es war dunkel. Ich … ich dachte, sie wären Geister.«
»Dummkopf!« Eijiro schlug mit seiner kräftigen Faust auf die Tatamimatte.
»Riesige Kerle«, fuhrt Suzuki trotzig fort. »Mindestens drei oder vier, vielleicht fünf. Aus dem Norden, ganz sicher. Das konnte ich an ihrem Akzent erkennen. Männer, die einen Groll hegten.«
»Was haben sie gesagt?«
»›Schweinehunde aus dem Süden‹, solche Sachen. Sie sprangen uns an.«
Drei oder vier riesige Männer. Taka hatte den Atmen angehalten. Zischend stieß sie ihn aus und öffnete die geballten Fäuste. Also war es nicht Nobu gewesen. Sie hatte zu Unrecht an ihm gezweifelt. Darüber war sie so erleichtert, dass ihr ganz schwach wurde. Aber wer hatte dann dieses schreckliche Verbrechen begangen? Ihr fiel ein, was Nobu ihr über aufkommenden Ärger erzählt hatte. Sie hatte dem nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, weil sie so froh gewesen war, ihn zu sehen, doch nun bekam sie furchtbare Angst.
Eijiro funkelte Suzuki an. »Aber du bist unversehrt davongekommen. Wo sind deine Wunden? Yamakawa ist ein besserer Soldat als du, ein viel besserer. Er hat Hunderte getötet. Sie haben ihn erwischt, und dich nicht?«
»Sie waren zu f-f-fünft, und wir nur zu z-z-zweit.« Suzuki stotterte wieder.
»Du hast ihm nicht geholfen?«
»Ich bin gerade noch mit dem Leben davongekommen. Ich habe einen verwundet, und Yamakawa hat einen erstochen. Wir haben die Leiche in den Graben geschoben – ein Ungeheuer, so groß wie ein Sumo-Ringer. Ich habe den anderen abgewehrt, habe um mein Leben gekämpft, während sich der Rest auf Yamakawa gestürzt hat. Er hat gekämpft wie ein Dämon – du kennst ihn –, aber es waren drei gegen einen. Er hatte keine Chance. Die anderen waren direkt hinter uns – unsere Freunde. Sie tauchten auf, als er fiel, und die Strauchdiebe rannten davon.«
Eijiros breite Stirn war gerunzelt. »Warum sollten solche Kerle weglaufen? Warum haben sie nicht euch alle angegriffen?«
Suzuki sah ihm direkt in die Augen. »Sie hatten es auf Yamakawa abgesehen. Sie schienen zu wissen, hinter wem sie her waren.«
Eijiro dachte eine Weile nach und nickte dann, als fügten sich die einzelnen Stücke in seinem Kopf zusammen. »Riesige Männer, sagst du, die Yamakawa kannten.« Er sprach bedächtig, wog jedes Wort ab. »Dann waren es keine Männer
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