Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
aus dem Norden mit einem Groll, und es war kein zufälliger Angriff. Sie müssen mit nördlichem Akzent gesprochen haben, um sich zu tarnen.« Grimmig blickte er sich um. »Nein. Mörder, gekaufte Mörder. Sie könnten hinter mir her gewesen sein, haben aber stattdessen Yawakama erwischt. Deshalb hast du keinen Kratzer abbekommen, Suzuki. Sie würden ihre Zeit nicht mit dir verschwenden.«
Die Männer murmelten aufgeregt, nickten zustimmend. »Begreift ihr nicht?« Eijiros Stimme hob sich. »Vater versammelt eine Armee um sich, Satsuma ist praktisch ein unabhängiger Staat. Alle sind bereits abmarschiert, die Kasernen sind halb leer, alle Männer aus Satsuma sind fort und nach Kyushu zurückgekehrt. Und wir sind hier – Dummköpfe, die wir sind – und halten ein Treffen direkt in unserem Haus ab! Das waren Regierungsagenten, ganz ohne Zweifel. Es gibt Spione in unserer Mitte.« Er starrte die versammelten Männer an, die unbehaglich von einem Fuß auf den anderen traten, einander misstrauisch beäugten und seinem Blick mit betonter Offenheit begegneten, als wollten sie sagen: Schau nicht mich an. Ich bin nicht der Verräter.
Taka versuchte, seinem Gedankengang zu folgen. Sie war sich nicht sicher, ob das alles einen Sinn ergab, aber vermutlich hatte er recht. Männer hatten über solche Dinge Bescheid zu wissen.
Eijiro senkte den Blick auf den Toten, der jetzt unter einem blutgetränkten Tuch verborgen lag. »Du wirst mir fehlen, Toshi, alter Freund. Bei den Göttern, du wirst mir fehlen. Du warst der Beste von uns allen!«
Er verbarg sein Gesicht in den Händen. Als er wieder aufsah, war sein Gesichtsausdruck entschlossen.
»Es hat begonnen«, sagte er leise. »Sie nehmen sich einen nach dem anderen vor. Noch länger hierzubleiben, ist Selbstmord.« Er drehte sich um. »Mutter, sag den Dienstboten, sie sollen unsere Taschen packen, und buche unsere Überfahrt. Wir brechen auf, sobald wir einen Platz bekommen – du, Taka, wir alle. Ihr könnt machen, was ihr wollt, Jungs, aber ich schlage vor, ihr schließt euch uns an. Mein Vater braucht alle Männer, die er in Kyushu finden kann.«
Taka schnappte nach Luft und sank zurück auf die Fersen. Tokyo verlassen, nachdem Nobu gerade in ihr Leben zurückgekehrt war? Erst an diesem Abend hatten sie sich einander versprochen. Er würde keine Ahnung haben, wohin sie verschwunden war oder wie er sie finden sollte.
Keiner von ihnen war je in Kyushu gewesen. Eijiros Freunde mochten zwar aus Satsuma stammen, aber Taka und ihre Mutter mit Sicherheit nicht. Sie waren Frauen aus Kyoto, gewöhnt an die Bequemlichkeiten der Stadt. In diesem rauen Grenzland wären sie so fehl am Platz wie zwei anmutige Schmetterlinge. Taka war sich nicht mal sicher, ob ihr Vater sie dort haben wollte.
Aber es wäre töricht, sich jetzt mit Eijiro zu streiten. Besser, sie warteten bis zum Morgen, wenn sein Schmerz ein wenig abgeklungen und das Entsetzen dieser Nacht verblasst war. Er neigte zu dramatischen Äußerungen, so wie damals, als er ihnen weisgemacht hatte, die Raufbolde in Yoshiwara ganz allein abgewehrt zu haben. Mit ein wenig Glück würde er Vernunft annehmen und begreifen, dass es nicht nötig war, von hier fortzugehen, sicherlich nicht sie alle, nicht Taka und Fujino. Ihre Mutter würde mit ihm reden.
Dann ging ihr auf, dass Fujino die Verhandlungen mit Masuda-sama abbrechen müsste, wenn sie nach Kyushu gingen. Plötzlich eröffnete sich ihr die Möglichkeit, der gefürchteten Heirat zu entfliehen. Trotzdem war es eine grausame Wahlmöglichkeit: nach Kyushu zu gehen und Nobu zu verlieren oder hierzubleiben und zu heiraten.
Auf jeden Fall lag die Entscheidung nicht in ihren Händen. Ihre Mutter würde die Heirat nie absagen. Das konnte sie nicht. Der Gesichtsverlust wäre unvorstellbar.
Fujino kniete neben Toshis Leiche, ihr Gesicht eine ausdruckslose Maske. An der Haltung ihrer Schultern und dem harten Zug um ihren Mund erkannte Taka, dass ihre Mutter nicht die geringste Absicht hatte, sich aus Tokyo fortschleppen zu lassen. Wenn General Kitaoka sie zu sich gerufen hätte, wäre sie sofort aufgebrochen, aber das hatte er nicht, und sie würde nicht wie ein Hund mit eingezogenem Schwanz zu ihm eilen.
Taka rang die Hände. Ihr Kopf schmerzte vor lauter Denken. Anscheinend würde die Heirat, vor der sie so unbedingt hatte fliehen wollen, ihre Rettung sein; sie würde ihr ermöglichen, in Tokyo zu bleiben. Besser, sie zeigte sich nicht mehr ganz so abweisend gegenüber
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