Die Tochter des Samurai: Roman (German Edition)
auszusprechen.
»Sie haben sich um unser Grundstück gekümmert, während wir fort waren, er und Otaké«, sagte Vater. Sein Gesicht hellte sich auf. »Sie kümmern sich immer noch um uns. Sie sind hier.«
Hinter Nobu waren Schritte zu hören, und ein großer Mann mit ein paar dünnen Haaren auf dem Kopf tauchte auf, gebückt unter dem Türsturz der zweiten Hütte.
Kumazos Name bedeutete »Bär«. Als Nobu klein war, hatte Kumazo ihn wie ein großer schwarzer Bär überragt, ihn auf den Schultern getragen oder in die Luft geworfen. Nobu hatte sich immer ein wenig vor der rauen Stimme und dem dröhnenden Lachen gefürchtet. Kumazo war der oberste Stallmeister gewesen, geschickt darin, scheuende Pferde zu beruhigen, und seine freundliche Frau Otaké war die oberste Kammerfrau gewesen. Sie hatten als Teil des Haushalts mit der Familie gelebt, und für Jubei, ihren Sohn, erschien es nur natürlich, Yasus treuer Gefolgsmann zu werden.
Jubei hatte Nobu erzählt, dass Kumazo die aus der brennenden Stadt strömenden Samurai-Flüchtlinge in einem lecken Boot, das unter dem Gewicht zu sinken drohte, über den Fluss in Sicherheit gebracht hatte. Jubeis Bruder hatte in der Clan-Armee gekämpft. Er war in Gefangenschaft geraten und nie zurückgekehrt, und seine Schwester war ebenfalls verschwunden. Als Letztes hatte Jubei von seinen Eltern gehört, dass sie aufs Land geflohen waren.
Otaké, der winzige Schatten einer Frau, humpelte ein paar Schritte hinter ihrem Mann. Sie war so verkrümmt, dass ihr Gesicht fast über den Boden wischte, aber als sie aufschaute, strahlte sie.
Mühsam kniete das Paar vor den Brüdern nieder. »Willkommen zu Hause, junge Herrn, willkommen zu Hause.«
Nobu hätte sich am liebsten vor ihnen in den Staub geworfen, den Kopf reuevoll auf den Boden geschlagen, aber das hätte sie völlig entsetzt. Er nahm sein Bündel vom Rücken und tastete nach der Urne. Sie war lackiert, nicht viel größer als eine Teedose. Dafür hatte er seinen gesamten Verdienst ausgegeben und das Beste gekauft, was er sich leisten konnte. Er zog das kleine Aschegefäß heraus, all das, was von dem großen Jubei mit seinem ungestümen Lachen und seiner unerschütterlichen Treue übrig war, und hielt es ihnen mit ausgestreckten Händen entgegen.
»Jubei …«, sagte er und kämpfte gegen die Tränen an. »Es war meine Schuld, ein dummes Abenteuer. Vergebt mir.«
Yasutaro mischte sich ein. »Euer Sohn starb als Held im Kampf gegen die Satsuma. Seid versichert, ihr könnt stolz auf ihn sein.«
Nobu legte die Urne mit Jubeis Asche in Kumazos knotige Hände. Der alte Mann nahm sie und hob sie in einer Geste des Gebets an die Stirn, blinzelnd, als würde ihm erst jetzt bewusst, dass sein letzter Sohn tot war. Eine Träne rann ihm über das runzelige Gesicht.
Otaké flüsterte: »Sie brauchen unsere Vergebung nicht, junger Herr. Wir würden Ihnen niemals Vorwürfe machen. Jubei war immer der Ungestüme. Ich war mir sicher, dass er früher oder später getötet werden würde. Wir werden Ihnen stets dankbar sein, junger Herr. Sie haben gut auf ihn achtgegeben.«
»Er war derjenige, der auf uns achtgegeben hat«, sagte Yasu erbittert. »Er hat mir oft das Leben gerettet. Jubei war kein Diener, er war mein Freund, und er fehlt mir. Er wird mir immer fehlen. Erzähl ihnen, was passiert ist, Nobu.«
Nobu ließ den Kopf hängen. »Wir wurden von Satsuma-Männern angegriffen. Wir waren zusammen in Tokyo unterwegs«, murmelte er. Er konnte sich nicht dazu durchringen, weiter zu lügen, schüttelte den Kopf und flüsterte: »Ich bin es, der hätte sterben sollen.«
18
»Du bist also jetzt Soldat, junger Nobu.« Sein Vater nickte ernst. Zwei Kerzen erleuchteten die Hütte, zusammen mit der in der Herdstelle glimmenden Glut, sandten tanzende Schatten auf die Holzwände, doch wenigstens war es hier geräumiger als in dem armseligen Quartier in Tonami, dachte Nobu. Von draußen hörte er das Klappern von Töpfen und Pfannen, während Yuki die Mahlzeit zubereitete.
»Die Clans aus dem Süden werden unruhig, Vater«, sagte Yasu. »Einige bereiten sich darauf vor, zu den Waffen zu greifen, wie wir hören. Die neue Regierung hat ihnen nicht das gegeben, worauf sie gehofft hatten. Es gab mehrere Aufstände. Einen davon vor zwei Jahren.«
»Ja, davon habe ich gehört. Angeführt von einem der Schergen Kitaokas. Das hat sich sogar bis zu den Salzwüsten von Tonami herumgesprochen.«
»Gerüchte besagen, dass es bald einen weiteren geben
Weitere Kostenlose Bücher