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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Straße, wenn Gül in einen Schwatz mit Suzan
     vertieft ist.
    – Siehst du, sagt Suzan, es war doch gut, daß deine Mutter hier war. Da haben sie mal gemerkt, was sie an dir haben. Ich |240| habe mich immer gut mit ihr verstanden. Du magst sie manchmal hassen, aber sie kann nichts dafür, daß sie euch nicht geboren
     hat. Sie ist eine ehrliche Frau, manchmal ist sie ein wenig auf den Schein aus, aber ich habe nie eine schlechte Seite von
     ihr zu spüren bekommen.
    Sie schaut Gül in die Augen, und Gül sagt einfach nichts, nimmt sich aber vor, die nächsten Tage weniger mit Suzan zu reden.
     
    Fuat kommt erst, als es nachts schon zu frieren beginnt. Vorher wurde ihm kein Urlaub genehmigt. Du bist doch gerade erst
     gekommen, haben sie ihm gesagt, hast du etwa schon Heimweh? Und er hat geantwortet, daß er frisch verheiratet ist und seine
     Frau zu Hause auf ihn wartet. Da haben alle gelacht.
    In den zehn Monaten, in denen er nicht zu Hause gewesen ist, hat er einen kleinen Bauch bekommen, und mit dem ungewohnten
     Kurzhaarschnitt sehen seine Wangen noch voller aus. Drei Wochen hat er Urlaub, und allein vier Tage davon vergehen in Bussen
     und Zügen.
    Gül hat sich auf ihn gefreut, auf die Tage, die er daheim sein wird. Sie wird sich weniger fremd fühlen, wenn alle sehen können,
     warum sie in diesem Haus lebt. Aber gleichzeitig hat sie auch Angst, daß es nicht bei dem Streit per Post bleiben wird, auch
     wenn die Sache mit Yılmaz jetzt einige Monate her ist.
    Fuat kommt abends an, es wird im Kreis der Familie gegessen und geredet bis spät in die Nacht. Bis zu dem Moment, wo sie allein
     sind, schenkt Fuat Gül keine besondere Beachtung. Und dann, als sie in ihrem Zimmer sind, ist Gül froh, daß er ihr nicht mehr
     gram ist, aber sie wünscht sich trotzdem wieder, sie hätte einen Panzer.
    Am nächsten Morgen, gleich nach dem Frühstück, geht Fuat aus dem Haus. Er will sich mit seinen Freunden treffen, die meisten
     sind älter als er und haben ihren Wehrdienst schon hinter sich. Einige sind nun arbeitslos und verbringen ihre Tage mit Müßiggang.
     Er möchte erzählen, von den Jeeps, |241| die man beim Militär fährt, davon, daß sie dort im Osten keine Freudenhäuser haben, er möchte wieder mit seinen Freunden im
     Teehaus zusammensitzen, Karten oder Backgammon spielen, rauchen und Zukunftspläne schmieden.
    – Bald wird es in Istanbul gar keine Kutschen mehr geben, prophezeit Fuat, aber mein Vater wird in zehn Jahren noch Arbeit
     haben. Wir leben hier weitab von allen modernen Sachen, aber ich sage euch, eines Tages werde ich genug Geld haben, um mir
     auch einen Cadillac leisten zu können.
    – Ich auch, sagt Rıfat, ich werde mir sogar den längsten Schlitten kaufen, wo gibt.
    – Mit Chromscheinwerfern und Ledersitzen, fügt Yılmaz hinzu, wir wollen unser Leben doch nicht auf dem Rücken eines Esels
     verbringen.
    – Ja, genau, sagt Fuat, und dann läßt du die Hand aus dem Fenster baumeln, eine Zigarette im Mund, die du in vollen Zügen
     genießt, so läßt sich das Leben ertragen.
    – Nein, sagt Can, du brauchst eine Asphaltstraße, geschmeidig wie Sahne, und dann trittst du das Gaspedal durch, daß du glaubst,
     du hättest Flügel und würdest gleich abheben. So muß man ein Auto fahren.
    Und schließlich setzen sie sich wieder zu dritt auf Cans Moped und fahren an den Bach, um ein, zwei Gläschen zu trinken und
     sich die Zeit mit Gesprächen über Fußball, dreckigen Witzen, Zukunftsträumen und zotigen Liedern zu vertreiben.
    Abends ist Fuat mit Gül auf ihrem Zimmer, und Gül genießt wieder die Worte, die ihr aus dem Mund kommen, es reicht ihr, nur
     dazusitzen, zu reden und Fuats immer gleiche Kommentare zu hören:
Man solls nicht glauben
und
Ich verstehe
und
So siehts aus
. Doch nach fünf Tagen beginnt er, auch nach dem Abendessen auszugehen.
    Eines Morgens, Dampf kommt aus den Mündern, sagt Suzan zu Gül:
    – Du siehst müde aus. Da ist wohl nicht viel Schlaf in deinen Nächten?
    |242| Gül blickt stumm zu Boden, Suzan lacht.
    – Das steht mir auch bevor, falls Murat mal entlassen wird.
    – Ach, käme er nur bald frei, sagt Gül.
    – Sie haben ihn nach Istanbul verlegt. Gott allein weiß, warum, und Briefe bekomme ich auch keine mehr.
    Fuat kommt erst um ein, zwei Uhr heim. Meistens wird Gül wach, weil er seine Bewegungen nicht mehr koordinieren kann und von
     Wand zu Wand und gegen den Schrank wankt und schwankt. Gül stellt sich schlafend, doch oft weckt er sie noch,

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