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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Freundinnen oder spielt auf der
     Straße. Wenn sie Hunger hat, läuft sie heim, schmiert sich ein Brot in der Küche und verschwindet sofort wieder, bevor ihre
     Mutter ihr etwas auftragen kann. Sie hat schnell Anschluß gefunden und auch rasch den Stadtdialekt angenommen, obwohl sich
     niemand über ihre Aussprache lustig gemacht hat. Sie gehört nicht zu den Mädchen, über die man lacht, sie kann am besten Seil
     springen, gewinnt beim Fangen, macht keine Fehler bei Himmel und Hölle, und wenn ihr etwas nicht paßt, fängt sie gleich Streit
     an.
    Als es kälter wird, hat Gül sich langsam an die Schule gewöhnt, die Mittagspause kommt ihr nicht mehr wie eine Erlösung vor,
     aber sie hat immer noch Schwierigkeiten, dem Unterricht zu folgen. Doch auch sie hat Freunde gefunden, und mit Özlem versteht
     sie sich besonders gut. Einige Male begegnen sich die beiden zufällig bei Güls Großmutter, die stolz darauf ist, mit der Frau
     des Generals befreundet zu sein.
    – Özlem ist ein gutes Mädchen, sagt Zeliha zu Gül, und ihre Mutter ist auch sehr nett.
    Gül kann Özlems Mutter nicht besonders leiden, weil sie ihr immer über den Kopf streichelt, ohne auch nur hinzusehen, und
     weil sie so laut lacht, wenn sie etwas erzählt. Und sie mag Mutter und Tochter nicht bei ihrer Großmutter treffen, weil sie
     dann eifersüchtig wird. Özlem bekommt jedesmal Süßigkeiten und liebe Worte, während Gül nur einmal im Jahr zum Zuckerfest
     ein Stück Schokolade kriegt.
    Als Erntezeit ist, reitet Timur stolz ins Dorf, die sollen nicht glauben, daß er Angst hat. Er bietet den Bauern gute Preise
     für ihr Getreide und Obst, und einige verkaufen an ihn.
    – Warnt diesen Hurensohn Tufan, daß ich ihn zerquetschen werde wie eine Ameise, daß ich ihn unter meiner Schuhsohle zerquetschen
     werde. Ich werde seine Tränen keines Blickes würdigen, sagt er bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
    |79| Am Rande des Dorfes wohnt eine kinderlose Witwe, Filiz, die sehr gut mit Fatma befreundet war und von der Timur häufig Tarhana
     kauft, einen gewürzten, getrockneten Teig, aus dem man Suppe macht.
    – Der Mann mag feige sein, sagt sie zu Timur, aber er kann reden, er kann die Männer schwindelig reden, daß sie kaum noch
     wissen, wie sie heißen. Wenn der denen morgen erzählt, du seist auf einmal Galatasaray-Anhänger geworden, dann werden die
     das glauben.
    – Das soll er sich mal trauen. Ich bin Beşiktaş-Fan von der Wiege bis ins Grab, das weiß doch jeder. Wenn er das wagt, breche
     ich ihm wirklich alle Knochen.
    – Wenn du etwas gegen ihn unternehmen willst, mußt du dich auch mit den Leuten unterhalten. Es reicht nicht, Drohungen auszustoßen
     und dann davonzustolzieren.
    – Was soll ich denn tun? Soll ich mich mit Weibergeschwätz aufhalten?
    – Wenn du Geschäfte machen willst, mußt du mit den Bauern reden.
    – Ich biete gute Preise, wer das nicht sieht, dem kann ich nicht helfen.
    Filiz seufzt.
    – Ja, ich weiß, sagt sie.
     
    Nach der Weinernte wird ein Teil des Traubensaftes wie jedes Jahr mit Stärke eingekocht, getrocknet und in Streifen geschnitten,
     so daß man am Ende kleine, feste Fladen hat, die man den Winter über essen kann, bevorzugt mit Walnüssen als Beilage, eine
     Energiequelle für kalte Tage.
    Weizen, Reis und das Winterbrot, das die Nachbarn gemeinschaftlich im Herbst backen, werden im Haus des Schmieds im kleinen
     Keller aufbewahrt, aber die Walnüsse und der getrocknete Traubensaft liegen ganz oben auf dem Regal in der Küche.
    Eines Abends verzweifelt Gül im Schein der Lampe fast an ihren Hausaufgaben. Ihre Mutter sitzt nah am Ofen und |80| häkelt, ihre Großmutter, die vorbeigekommen ist, wie sie es häufig tut, sitzt noch näher am Ofen und trinkt Tee, während Timur
     Rakı trinkt und raucht. Es ist ein Abend, der ahnen läßt, daß auch dieses Jahr wieder ein harter Winter bevorsteht.
    Zeliha geht in die Küche, und als sie zurückkommt, sagt sie zu Timur:
    – Es stimmt. Der getrocknete Traubensaft ist sehr viel weniger geworden. Gül nimmt immer welchen mit in die Schule und verteilt
     ihn dort an die anderen Kinder.
    Gül hat gehört, was ihre Großmutter gesagt hat, aber sie kann es nicht glauben.
    – Stimmt das, Gül?
    Gül schüttelt den Kopf.
    – Özlem hat gesehen, wie du ihn in der Schule verteilt hast, sagt Zeliha.
    Gül hat keinen Traubensaft verteilt, aber sie weiß jetzt nicht, was sie sagen soll. Ihr wird heiß, und sie weiß, daß die Menschen
     glauben, sie

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