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Die Tochter des Schmieds

Die Tochter des Schmieds

Titel: Die Tochter des Schmieds Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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du dir das so lange mit ansehen? Bricht es dir nicht
     das Herz?
    – Natürlich bricht es mir das Herz, aber was soll ich tun? Sie ist zu klein, und sie wird sich nicht behaupten können. Was
     soll ich machen?
    – Schick sie zur Schule, schlimmstenfalls bleibt sie sitzen. Das wäre kein Verlust.
    – Abdurahman, Onkel Abdurahman, sie ist zu jung, sie werden sie nicht nehmen.
    Abdurahman nickt und lächelt.
    – Sonst würdest du sie gehen lassen?
    – Ja, sagt Timur.
    – Ich kenne jemanden beim Amt. Wir werden einfach ihr Alter umschreiben lassen. Laß das mal meine Sorgen sein. Ich rede auch
     mit der Lehrerin, schick Sibel morgen früh einfach zu mir.
    So fährt Abdurahman am Montag mit Sibel zusammen in der Kutsche zur Schule und übergibt sie der Lehrerin. Am Dienstag gehen
     die Schwestern gemeinsam den weiten Weg, Sibel hält sich an Gül, weil Melike trödelt und immer zurückbleibt. Sibel gehört
     jetzt dazu, und sie fühlt sich den ganzen Weg lang wohl, aber sie ist unsicher, sobald sie in der Klasse sitzt. Es ist ihr
     alles noch so fremd, sie bekommt den Mund kaum auf, aber sie ist trotz ihrer Nervosität sehr aufmerksam. Am Ende des Schuljahres
     wird sie nicht nur versetzt werden, sie wird, obwohl ihr die ersten sechs Wochen fehlen, eine der Besten in der Klasse sein.
     
    Timur hat mit Hilfe eines Nachbarn die Walnüsse von seinen beiden Bäumen geschüttelt. Zeliha und Gül sollen sie auflesen und
     in drei Haufen teilen, zwei etwa gleich große und einen etwas kleineren.
    – Einen Teil für uns, einen Teil für deine Oma und einen kleinen Teil für unseren Nachbarn, weil er uns geholfen hat, |93| erklärt Timur seiner Tochter, bevor die beiden mit der Arbeit beginnen.
    Als sie fertig sind, geben sie die beiden größeren Haufen in jeweils ein Tuch, dessen Enden sie verknoten. Es sind viele Nüsse,
     und Gül hat Probleme, so ein Tuch hinter sich herzuziehen.
    – Und jetzt, sagt ihre Großmutter, vergraben wir diesen kleinen Haufen in der Erde. Das wird dann eine Überraschung für den
     Nachbarn. Der wird sich bestimmt freuen. Aber du darfst niemandem etwas davon verraten, sonst ist es ja keine Überraschung
     mehr, nicht wahr? Versprochen? Kein Sterbenswörtchen.
    Gül deutet ein Nicken an. Dann hebt die alte Frau mit einem Spaten ein Loch aus, legt die Walnüsse hinein und schaufelt Erde
     darüber, klopft sie fest und legt etwas Laub auf die Stelle, damit man nichts erkennen kann.
    Gül kann sich zusammenreimen, daß der Nachbar die Nüsse nicht sehen wird, und so fällt es ihr nicht schwer, ihr Wort zu brechen.
     Abends erzählt sie ihrer Mutter, was passiert ist. Arzu sagt:
    – Das kann sein. Das kann sein, daß die anderen schon mal lügen, auch die Erwachsenen. Aber wir machen so etwas nicht, verstehst
     du? Sie ist eine alte Frau, die gerne Handel treibt, hier und da etwas verkauft. Aber wir machen so etwas nicht. Auch dein
     Vater hat es nie getan.
    – Wir machen so etwas nicht, murmelt Gül.
    – So, und jetzt pump mal einen Kanister Wasser aus dem Brunnen, damit ich spülen kann.
     
    Melike hat ein paar Walnüsse stibitzt, weil sie unbedingt etwas ausprobieren möchte, das sie von einem Jungen in ihrer Klasse
     gehört hat. Sie sammelt das Harz von Nadelbäumen und füllt es in vier Walnußschalenhälften. Dann ruft sie Gül, ohne ihr zu
     verraten, was sie vorhat.
    – Ich habe ein Stück Brot, laß uns doch die Katze des Nachbarn suchen und sie damit füttern.
    |94| Gül wundert sich über Melikes Einfall, aber sie mag Katzen gern, immerhin fressen die Mäuse. Sie finden die schwarze Katze,
     Gül hält ihr das Brot hin und fragt sich, was Melike da aus ihrer Tasche hervorkramt. Mit einer schnellen Bewegung packt Melike
     das Tier, und nach einem kurzen Kampf hat sie ihm drei Pfoten in die Walnußschalen gedrückt. Als Melike nur noch eine Schale
     übrig hat und ihre Unterarme schon aufgeschrammt sind, kann die Katze entkommen. An drei Pfoten kleben Walnußschalen, eine
     vorne, zwei hinten, der Gang der Katze ist unsymmetrisch, aber das schlimmste scheinen für sie die ungewohnten Geräusche zu
     sein und der fehlende Halt, als sie versucht davonzulaufen. Sie schlittert, entfernt sich aber schnell. Melike lacht.
    – Sie hört sich an wie unser Pferd.
    Die Katze versucht, auf einen Mauervorsprung zu springen, rutscht ab, rennt im Kreis und verschwindet schließlich hinter einer
     Ecke, während Melike immer noch lacht.
    – Du bist gemein, sagt Gül, und sie hofft, daß ihre

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