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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nadjas, bei Frank Castor in die Lehre zu gehen und statt Autofahren die Kunst der Löwendressur zu erlernen.
    Saparin raufte sich die Haare. »Löwendompteuse will sie werden!« schrie er und lief in der Wohnung auf der Avenue de New York hin und her. »Allez hopp! Mach Männchen, Ali! Gib Pfötchen, Simba! Willst du wohl nicht so in der Manege stinken, Muhammed? O Himmel! Und das ist die Tochter Rasputins! Das ist die Frau des Gardemajors Gurjew! Löwen dressieren! Eine Nadja Gurjewa! Bist du verrückt, Täubchen?«
    »Verliebt«, sagte Nadja still und lächelte vor sich hin. »Wenn du wüßtest, wie schön das ist.«
    »Auch das geht vorbei!«
    »Das geht nie vorbei. Nie!« Nadja lehnte sich zurück und kreuzte die Arme hinter dem Nacken. Sie starrte an die Decke und dachte an die herrlichen Nächte in dem kleinen, engen, nach Raubtier riechenden Wohnwagen. »Ich habe nur zweimal in meinem Leben geliebt … Nikolai und jetzt Frank.«
    »Da mußt du dich verzählt haben«, rief Saparin und schlug die Hände über dem Kopf zusammen. »Und Stanislas?«
    »War nur ein lebender Schatten Nikolais.«
    »Und Gabriel?«
    »Ich hasse ihn!«
    »Und … und Saparin …« Saparin schluckte. Nun war es heraus. Nach fast vier Jahren. Und er hatte es sich anders vorgestellt, diesen Augenblick der Wahrheit. Er sah nun an die Wand, wurde rot wie ein Schuljunge und wartete darauf, daß Nadja ihn schallend auslachte.
    Aber Nadja lachte nicht. Sie sah Saparin ein wenig traurig an.
    »Mein armer Boris Michailowitsch …«, sagte sie leise. Saparin nickte heftig.
    »Treten Sie mich in den Hintern, Nadja Grigorijewna!«
    »Warum? Ich weiß, daß du mich liebst.«
    »Sie wissen es?«
    »Seit vier Jahren, Boris. Und wir beide wissen, wie sinnlos es wäre. Wir sind wie Bruder und Schwester, und das ist so schön und so innig, daß alles andere es nur zerreißen würde. Du bist mir mehr, Boris, als Bruder, Geliebter oder Mann … du bist für mich die Heimat. Du bist Rußland. Du bist der Himmel über Sibirien, der Wind über der Steppe, das Rauschen des Tobol, das Glockenläuten der Klöster auf den Hügeln, der Gesang der Lastenschlepper. Das alles bist du für mich. Du bist mein Rußland …«
    Saparin drehte sich zur Wand. Er weinte. Die Stirn drückte er gegen die Tapete und schluchzte laut.
    »Unser Mütterchen Rußland …«, stammelte er. »Das ist es! Das ist es! Was soll ich ohne dich, Nadja, in diesem mistigen Paris? Ich werde nie ein Franzose, nie! Ich bin Russe! Der Graf Saparin! Auch wenn ich Taxis fahre und Trinkgeld nehme.« Er stand an der Wand und weinte weiter, und Nadja unterbrach ihn nicht, denn der Heimatschmerz eines Russen ist elementar wie die Natur, die ihn formte.
    Erst nach einiger Zeit beruhigte sich Saparin und nahm seine Wanderung durch die Wohnung wieder auf.
    »Du gibst den Plan nicht auf?« fragte er.
    »Nein.«
    »Und heiraten willst du auch diesen Deutschen?«
    »Ich würde ihn heiraten, wenn er Bolschewist wäre!«
    »O Himmel! Deutlicher könnte man es nicht sagen!« Saparin rannte wieder durch die Wohnung und ließ die Türen klappen. Er wußte keine anderen Argumente mehr. Er war wehrlos gegen diese Liebe, die über Nadja gekommen war.
    »Wann geht die Reise los?« fragte er schließlich noch.
    »Im März vielleicht.«
    »Wir haben nun November«, sagte Saparin mit leiser Hoffnung. »In vier Monaten kann noch viel geschehen.«
    »Bis dahin will ich gelernt haben, die Löwengruppe allein vorzuführen«, sagte Nadja.
    »Gott möge das verhindern!« Saparin stampfte mit den Stiefeln auf. »Willst du zerrissen werden?«
    »Wissen wir, wie wir einmal enden, Boris? Was wissen wir von unserer Zukunft?« Nadja erhob sich und ging ans Fenster. Der Blick über die Seine hinüber zum Eiffelturm, der sich braunblau gegen den Himmel abhob, war immer wieder ein Blick, der das Herz ergriff. »Ich liebe die Löwen.«
    »Es ist schrecklich«, stöhnte Saparin und putzte sich die Nase.
    »Wenn ich sie ansehe, werden sie zärtlich wie verspielte Katzen!« Sie lehnte die Stirn gegen die kalte Scheibe. »Ich habe mich noch nie so glücklich gefühlt, Boris Michailowitsch. Nie mehr seit dem Tag, als ich Nikolai küßte. Und das ist nun zehn Jahre her. Was haben wir in zehn Jahren alles erlebt.«
    »Und es liegen noch fünfzig Jahre vor dir!« Saparin faßte Nadja an den Schultern und zog sie an sich. »Nadja, bleib in Paris. Ich bitte dich. Paris könnte für uns Russen eine zweite Heimat werden. Es erinnert hier so viel an

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