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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unterschrieben.«
    »Beim Zirkus?«
    »Ja«, sagte Saparin erschüttert. »Beim Zirkus Orlando.«
    Was soll man machen – Dr. Rampal bekam seinen zweiten Lachanfall, und Saparin drehte sich wieder wütend zur Wand.
    Noch einmal versuchte Saparin, Nadja in Paris zu halten. Es war wirklich der letzte Versuch, zwei Wochen vor der Abfahrt des Sonderzugs vom Gare aux Marchandises .
    Saparin fuhr hinaus zu der Loire, der lieblichen Parklandschaft, in der es mehr Schlösser gibt als Rosinen in einem Topfkuchen. Eines davon gehörte Jean Gabriel, und zu ihm führte die Reise Saparins.
    Gabriel hatte sich seit dem Duell aus Paris zurückgezogen. Er lebte wie ein Landedelmann auf seinem Gut, ritt durch seine eigenen Wälder oder an der Loire entlang und kümmerte sich mehr um die Aufzucht von Rindern und die Mast von Schweinen als um seine Banken. Für sie hatte er einen Generaldirektor eingesetzt, mit dem er zweimal in der Woche konferierte. Natürlich geschah nichts, was Gabriel nicht wußte. Seine Hauptaufgabe hieß Gérard Cassini. Verzweifelt hatte Cassini dreimal versucht, Gabriel umzustimmen, er hatte an die Freundschaft ihrer Väter appelliert, an die Sinnlosigkeit, einer Frau wegen solch einen Zusammenbruch zu inszenieren … Gabriel blieb taub und stumm. Und so verließ Cassini im Januar Frankreich und ließ sich in Zürich nieder. Verbittert und aus allen Bankgeschäften in Frankreich ausgebootet. Gabriel kaufte die Cassini-Bank, aber das war jetzt nur eine geschäftliche Transaktion, keine Rache mehr. Neben Rothschild und Oppenheimer war Gabriel nun der mächtigste Bankier in Europa, doch das kümmerte ihn wenig. Er lebte auf seinem Loireschloß, von der glänzenden Welt, die sein Geld regierte, abgeschlossen, und wurde wortkarg. Das Bild des umsinkenden Stanislas, der Schmerz Nadjas an seiner Leiche, das waren Dinge, über die Gabriel nicht hinwegkam.
    Nun besuchte ihn Saparin, und in Gabriel zuckte Unruhe auf. Der Gedanke, Nadja könne etwas geschehen sein, machte ihn fast krank. Zwar erhielt er jede Woche einen Bericht von einem Privatdetektiv aus Paris, der Nadja beobachtete, er wußte, daß sie im Zirkus Orlando Löwen dressieren lernte und hatte – niemand wußte es, und keiner sprach darüber – Frank Castor eine volle Million angeboten, wenn er Nadja wegschickte, aber von heute auf morgen kann allerhand geschehen.
    »Graf Saparin!« rief Gabriel, als Saparin von einem Diener durch die weite Halle des Schlosses geführt wurde. Gabriel kam die breite geschnitzte Treppe herunter, so schnell es ging. »Was ist mit Nadja? Hat ein Löwe sie angefallen? Lebt sie? Wohin hat man sie gebracht? Die besten Ärzte von Paris sollen …«
    Saparin winkte mit beiden Armen ab. »Nichts ist geschehen, Monsieur Gabriel!« rief er. Er sah schlecht aus, übernächtig, hohläugig und sehr alt. »Aber weil nichts geschieht, ist es so schrecklich. Nadja fährt in zwei Wochen nach Amerika! Und sie wird, das weiß ich, nie zurückkommen nach Paris.«
    Gabriel nickte schwer. Er lehnte sich an das Geländer der Treppe. »Ich weiß es, Graf. Aber was können wir da tun?«
    »Das fragen Sie mich?« Saparin wischte sich über die Augen. »Sie schicken Nadja anonym Geld. Ich weiß es. Sie lieben Nadja noch immer. Es tut mir weh, das zu sagen …«
    »Sie lieben Nadja auch, Graf.«
    »Aber es ist hoffnungslos. Völlig! Damit finde ich mich ab, so wie ich weiß, daß ich Rußland nie wiedersehen werde. Aber Sie, Gabriel, Sie wären der Mann, der Nadja glücklich machen könnte! Ich sage das ohne Bitterkeit. Ich sage es mit dem Gefühl eines Bruders, der für Nadja nur das Beste will. Ich bitte Sie – versuchen Sie es noch einmal! Versuchen Sie, Nadja klarzumachen, wie sinnlos diese Liebe zu dem Löwendompteur ist! Mein Gott, ja, ich weiß … Nadja ist unaufhaltsam wie ein Schneesturm … aber auch durch Schneestürme haben wir uns schon durchgekämpft!«
    Gabriel sah auf das alte, schon fast schwarze Parkett der Halle. Er atmete schwer. »Ich bin ein alter Mann, Graf«, sagte er resigniert. »Dieser Castor ist jung und schön …«
    »Versuchen Sie es wenigstens.«
    »Sie verzeiht mir nie den Tod Stanislas'!«
    »Vielleicht doch. Sie sieht jetzt Stanislas anders.«
    »Durch diesen Frank Castor.«
    »Es ist ja nur ein Versuch, Gabriel!« schrie Saparin.
    Gabriel strich sich über die Augen. Wie alt ich in ein paar Monaten geworden bin, dachte er. Und was vor allem fehlt, ist der Mut.
    Eine Stunde später fuhr Saparin nach Paris zurück.

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