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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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holen.
    Nadja schlief fest, als sich Castor aus dem Bett schob und das Zimmer auf Zehenspitzen verließ. Auch Helena schien zu schlafen … in ihrem Bettchen in der gegenüberliegenden Ecke rührte sich nichts. In der Dunkelheit tappte Castor zu dem Käfigwagen, der hinter der Bühne auf dem Hof stand, durch den Laufgang mit dem Haus verbunden. Er setzte sich auf einen Schemel vor die Gitterstäbe und sah auf seine Löwen, die ihn ruhig, mit grünschimmernden Augen, anstarrten. Ali, allein in einer Box, drückte den dicken Kopf gegen das Gitter. Seine rote Zunge leckte knirschend die eisernen Stäbe.
    »Es ist soweit«, sagte Castor heiser und strich mit der Hand über die Gitter. Die Löwen brummten leise. Die feuchte Nase Alis drückte sich gegen Castors Handfläche. »Ich habe nichts mehr zu fressen für euch. Ich muß euch verkaufen. Aber das kann ich nicht. Nein, das kann ich nicht. Ich bin am Ende. Ich habe keine Kraft mehr. Ich bin wie ausgebrannt. Versteht ihr das?«
    Er sah die Löwen an, rückte näher an die Gitter und atmete tief den scharfen Raubtiergeruch ein. Nichts war schöner für ihn als ein Löwe. Eine ganze Zeit lang hatte er geglaubt, Nadjas Körper sei das Schönste, was Gott geschaffen hatte. Nun wußte er, daß es nicht so war … für ihn gab es nur die Löwen, das Spiel ihrer Muskeln unter der braunen Haut, die sichtbare Kraft in ihren Pranken und dem Nacken mit den flatternden Mähnen, das herrliche Brüllen.
    »Nadja wird euch verkaufen«, sagte Castor leise. »Ich kann es einfach nicht! Und ich will es auch nicht sehen! Ich weiß nicht, wohin ihr kommt … aber ihr werdet euer Fleisch haben, und es wird jemand geben, der sich um euch kümmert. Ich kann es nicht mehr, und deshalb bin ich nicht mehr wert, bei euch zu sein.«
    Er stand auf, griff durch die Gitter und streichelte jedem Löwen über das Gesicht. Wie fromme Katzen leckten sie seine Hand, ihre Schwänze peitschten auf den Käfigboden.
    »Lebt wohl!« sagte Castor rauh. »Ich bin zu weich für diese Welt …«
    Er setzte sich wieder auf den Schemel, griff in die Tasche, holte einen Trommelrevolver hervor und spannte den Hahn. Noch einmal sah er Ali an. Der Löwe hatte den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt und beobachtete ihn regungslos. Die grünen Augen waren zwei glimmende Schlitze. Castor schloß die Augen, lehnte sich zurück an den Käfigwagen und umklammerte den Griff des Revolvers. Es ist schwer, zu sterben, dachte er. Verdammt schwer.
    Nadja erwachte, weil jemand sie an den Haaren zog. Es war Helena, die aus ihrem Bett geklettert war und nun neben Nadja auf der Decke kniete. Sie hatte die Ärmchen noch verbunden.
    »Papa ist weggegangen«, sagte sie kläglich. »Ganz leise. Auf Zehenspitzen. Ich habe es gesehen. Er hat gedacht, ich schlafe …«
    »Er ist für einen Augenblick hinausgegangen«, sagte Nadja und küßte Helena. »Er kommt gleich wieder.«
    »Er ist schon länger weg, Mamuschka. Und er hat seine Jacke mitgenommen …« Helena preßte sich an Nadja. Ihr kleiner Körper war heiß, und doch zitterte er. »Ich habe geträumt, Mamuschka. Und nun habe ich solche Angst …«
    Nadja legte Helena neben sich, deckte sie zu und setzte sich im Bett auf. Sie horchte in die nächtliche Stille hinein. Nichts war zu hören als das leise Atmen Helenas und ab und zu ein Rumpeln, wenn ein Auto draußen über die Straße fuhr. Sie saß so ein paar Minuten und dachte, nun müsse Frank bald wiederkommen, wenn er nur nebenan zur Toilette gegangen war. Dann wurde sie selbst unruhig, stieg aus dem Bett, deckte Helena zu und warf über ihr langes Nachthemd den alten Bademantel, den sie aus Paris mitgebracht hatte.
    Fröstelnd blieb sie vor der Tür der Toilette stehen. Kein Licht schimmerte aus den Türritzen, sie klopfte, bekam keine Antwort und drückte die Klinke herunter. Dunkelheit gähnte sie an. Und jetzt erst wußte sie, daß Frank Castor heimlich davongeschlichen war, um nicht mehr zurückzukehren.
    Stumm rannte Nadja weiter. Ohne darüber nachzudenken, warum sie dorthin lief, schlug sie die Richtung zu dem Käfigwagen im Hof ein. Die Tür schwang krachend draußen gegen die Hauswand, als sie hinausstürzte und Frank auf dem Schemel sitzen sah, ganz nahe am Käfig. Er hielt etwas Dunkles in der Hand und hob es langsam gegen seine Schläfe.
    »Frank!« schrie sie grell. »Frank!« Sie warf die Arme hoch, stürzte auf ihn zu und schlug ihm den Revolver aus der Hand.
    »Frank!« schrie sie wieder. »So willst du gehen? So? Du

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