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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Minajews Keller war?«
    »Ich habe ihn herausgeholt«, sagte Nadja.
    »Sie, Madame?« Kubulai trat einen Schritt vor zu Nadja. »Vielleicht versuchen Sie mich noch zu überzeugen, daß ich an Rußlands Erde ersticken müßte! Sie sind weder ein Teufel, Madame, noch sind Sie ein Engel!«
    »Nein. Ich bin die Tochter Rasputins …«
    Das Grasbüschel fiel aus ihren Fingern, Kubulai vor die Stiefelspitzen. Er wich einen Schritt zurück, als habe Nadja eine Bombe geworfen. Seine geschlitzten Augen wurden wieder unerklärlich rund.
    »Sie lügen, Madame …«, stotterte er.
    Nadja schüttelte den Kopf und streckte ihm die offene Hand entgegen.
    »Geben Sie mir Rußlands Erde wieder, Kubulai«, sagte sie müde. »Bitte.«
    Mit einem Fußtritt schleuderte Kubulai das Grasbüschel in eine entfernte Zeltecke und verließ schnell das Zelt. Draußen atmete er auf, als käme er aus einem Zelt voll erstickenden Qualms.
    Rasputin, dachte er.
    Im Klosterhof von Krasnodar hat er mich gesegnet. 1909 war es. Zu meinem vierzigsten Geburtstag. Und er hat mich angesehen mit seinen strahlenden blauen Augen und hat gesagt: »Mein Sohn, ich sehe es dir an: Gott wird einmal eine große Entscheidung von dir verlangen. Fälle sie nach dem, was deine Seele fühlt …«
    Ein schrecklicher Tag war vorüber. Nadja und Nikolai hatte man aus dem Zelt geholt, nachdem man ihnen ein gutes Essen gebracht hatte. Kascha, Salzfleisch und einen Krug Kwaß. Ein Feldwebel führte sie vor das Zelt, und von hier aus überblickten sie einen weiten Platz, der durch die in einem Karree stehenden Kosaken gebildet wurde. In der Mitte des Platzes hatte man eine tiefe Grube ausgehoben.
    Ein langer Zug humpelnder, sich gegenseitig stützender Männer, begleitet und angetrieben vom »Dawai! Dawai!« der neben ihm gehenden Wächter, wurde auf den Platz geführt. Als die zerlumpten, notdürftig verbundenen Männer die Grube sahen, stutzten sie, blieben stehen und sahen sich um. Das Karree der Kosaken hatte sich geschlossen.
    »Nein!« brüllte jemand aus der Gruppe der Gefangenen. »Wir sind doch Brüder! Was tut ihr denn? Sind wir nicht Russen wie ihr? Laßt uns doch Brüder sein!«
    Nikolai Gurjew umfaßte Nadja, drückte ihren Kopf an sich und verbarg ihr Gesicht an seiner Brust. »Sieh nicht hin«, sagte er heiser. »Leg die Hände gegen die Ohren.«
    Sie gehorchte, aber sie wußte, was hinter ihrem Rücken geschah.
    Gurjew überblickte die zusammengeballte Masse der elenden Gestalten. Der Rest der roten Kompanie. Die Überrollten, die Hoffenden, die mit einem weißen Taschentuch am Bajonett den Kosaken entgegengelaufen waren, die Tapferen, die bis zuletzt gekämpft hatten. Es gab jetzt keine Unterschiede mehr.
    »Das können sie nicht tun«, sagte Gurjew leise. »Das ist gegen jedes Völkerrecht! Das wollen weder Denikin noch Koltschak. Das ist Mord! Glatter Mord!«
    Kubulai war nicht zugegen. Ein riesiger Kosak befehligte diese grausame Stunde. »Aufstehen!« brüllte er. »Nebeneinander!«
    Die Rotarmisten schwankten an den Grubenrand, formierten sich zu einer Reihe, starrten in die Tiefe ihres Grabes. Ein Zug Kosaken trat vor und baute sich hinter den Roten auf. Die Schlösser der Gewehre knackten.
    Gurjew umschlang Nadja mit beiden Armen. Sie preßte die Hände gegen ihre Ohren und wühlte ihr Gesicht in seine zerfetzte Uniformjacke.
    »Feuer!« kommandierte der riesige Kosak.
    In zehn Sekunden war alles vorbei …
    Dann führte man Nadja und Gurjew zurück in ihr Zelt, und hier saßen sie stumm auf dem Feldbett, rührten das Essen nicht an, das man ihnen brachte, und warteten auf ihr Schicksal.
    Am Abend kam Kubulai.
    Er setzte sich auf den Klappstuhl, starrte auf den Steppenboden und nagte an der Unterlippe. Gurjew atmete heftig. Verzweifelt, bittend sah ihn Nadja an und schüttelte den Kopf.
    »Was haben Sie getan, Kubulai?« sagte Gurjew rauh. »Das war kein Strafgericht – das war Mord! Gefangene waren es. Das war gegen die Genfer und Haager Konvention.«
    »Ich kenne weder Genf noch Haag …«, sagte Kubulai dumpf.
    »Es war gegen das Gesetz!« schrie Gurjew.
    »In der Steppe gilt das Gesetz der Steppe. Seit Jahrhunderten ist es so. Ein gutes Gesetz ist es …« Kubulai hob den Kopf. Seine geschlitzten Augen flammten.
    »Es war Mord!« Gurjew ballte die Fäuste auf seinen Knien. »Was haben Sie mit uns vor, Kubulai? Wann richten Sie mich hin? Welches Schauspiel kann ich Ihnen verschaffen? Es muß ein besonderer Kosakengenuß sein, eine schwangere Frau

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