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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aufzuhängen …«
    Kubulais asiatisches Gesicht war starr und maskenhaft. Er griff in die Tasche und zog eine kleine, hölzerne, primitiv gemalte, abgegriffene Ikone heraus. Kaum konnte man noch das Bild erkennen. Er hielt sie Nadja hin, und sein Arm bebte etwas.
    »Das Bild der wundertätigen Parasheva …«, sagte er laut, als müsse er sich an seiner eigenen Stimme aufrichten. »Seit neun Jahren begleitet es mich in der Satteltasche! Ich wurde nie krank, ich wurde nie verwundet, dreimal überlebte ich allein einen Angriff der Roten und konnte flüchten. Ich glaube daran, daß ich unverwundbar bin, solange ich dieses Bild bei mir trage.« Er sah Nadja an, die auf den verwaschenen Heiligenkopf starrte. »Dein Vater schenkte es mir …«
    Nadja nickte. Der Hals war ihr wie zugeschnürt. Kubulai steckte die kleine Ikone wieder zurück in seinen Rock und sprang auf.
    »Zu General Denikin ist die Verbindung zu schlecht. Ich werde euch nach Omsk zu Koltschak bringen lassen. Der Admiral soll entscheiden. Ihr werdet von zwei Unteroffizieren begleitet. Das ist das einzige, was ich tun kann.« Er ging zum Ausgang, aber bevor er die Leinwand aufschlug, drehte er sich noch einmal um. »Beten Sie zu Vater Grigori, Nadja Grigorijewna …«, sagte er dumpf. »Er allein hat Sie gerettet …«
    In der Nacht noch verließ eine kleine Gruppe das Lager der Kubulai-Kosaken. In einem leichten, einer Karosse ähnlichen Wagen saß Nadja zwischen den Gepäckstücken. Vor der Karosse ritten Nikolai Gurjew und die beiden Unteroffiziere. Der Kutscher, der den Wagen lenkte, sollte wieder zurückkehren zu den Kosaken.
    »Sie werden bis zum Bahnhof Kurgan geführt«, hatte Kubulai zum Abschied gesagt. »Von dort geht ein Zug nach Omsk. Sollte Kurgan von den Roten wieder besetzt sein, müssen Sie weiterreiten bis Petropawlowsk. Das ist bestimmt in unserer Hand. In Omsk wird Admiral Koltschak über Sie entscheiden. Leben Sie wohl.«
    Während des langen nächtlichen Rittes träumte Gurjew von der Zukunft. Er sah sich vor Koltschak, dem Retter Sibiriens. Er sah sich an der Spitze einer Schwadron als Sieger über die Roten in Moskau einreiten. Er sah sich im Saal bei der Krönung eines neuen Zaren.
    So zogen sie wieder nach Norden, Admiral Koltschak entgegen, der den Gardehauptmann Nikolai Gurjew bereits in Abwesenheit als Verräter des Zaren zum Tode verurteilt hatte. Der Steckbrief war unterwegs an alle Truppen.
    Am fünften Tag ihrer Reise erreichten Sie Kurgan. Die beiden Unteroffiziere gaben Gurjew und Nadja bei einem Hauptmann ab, der den Bahnhof befehligte. Er las das Begleitschreiben Kubulais, öffnete eine Mappe, überflog ein Blatt Papier und ließ den Deckel wieder zufallen.
    »Nikolai Georgijewitsch«, sagte er steif. »Bitte Ihr Koppel und den Schulterriemen. Im Namen des Admirals Koltschak verhafte ich Sie. Sie sind zum Tode verurteilt!«

7
    Es gibt im Leben Augenblicke, in denen sich die ganze Hilflosigkeit des Menschen offenbart, wenn er seine Umwelt nicht mehr versteht und sich wie ein Fremder, wie ein Wesen von einem anderen Stern vorkommt. Nicht anders fühlte Gurjew, als er dem weißrussischen Hauptmann im Vorsteherzimmer des Bahnhofs von Kurgan gegenüberstand.
    »Machen Sie keine Schwierigkeiten, Nikolai Gurjew«, sagte der Hauptmann noch einmal. »Ich muß Sie festnehmen.«
    »Das ist doch wohl ein Irrtum …«, erwiderte Gurjew heiser. »Ich bin …«
    Der Hauptmann von Kurgan schlug die Mappe auf, drehte sie herum und zeigte das Rundschreiben. »Bitte, überzeugen Sie sich.«
    Nadja und Nikolai beugten sich über das Schreiben.
    »… wegen Verrats … in Abwesenheit zum Tode verurteilt … Nikolai Georgijewitsch Gurjew … sofort zu liquidieren … Admiral Koltschak …«
    Nadja richtete sich auf. Ihr Gesicht war schmal und weiß wie das eines kranken Kindes. Gurjew starrte noch immer auf die Zeilen. Verrat … zum Tode verurteilt …
    »Sie sehen, ich tue nur meine Pflicht, Madame«, sagte der Hauptmann.
    »Das alles ist purer Wahnsinn! Nikolai ein Verräter? An wem denn? Für den Zaren hat er sein Leben eingesetzt, er hat in den Todeskellern der Bolschewisten gelitten …«
    Der Hauptmann hob die Schultern. »Es steht mir nicht zu, einen Schuldspruch des Admirals zu kritisieren.« Er wandte sich an Gurjew, der mit schwerer Hand die Mappe zurückschob. »Herr Kamerad – Sie wissen, was ein Befehl bedeutet. Darf ich bitten?«
    Gurjew nickte stumm. Er schnallte Koppel und Schulterriemen ab und reichte sie dem

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