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Die Tochter des Teufels

Die Tochter des Teufels

Titel: Die Tochter des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nur als die Frauen von Sträflingen, haben keinerlei Rechte wie die Verbannten. Ihre Kinder, die sie in Sibirien gebären, sind unfrei und werden Leibeigene des Zaren.
    Die Frauen der Verbannten haben von den Behörden keinen Schutz zu erwarten, wenn sie beleidigt, angegriffen, geschändet oder von Männern verfolgt werden. Wie ihre Männer der verächtlichsten Klasse in Rußland angehörend, sind sie vogelfrei für jedermann und haben sich selbst zu schützen. Wer ihnen Gewalt antut, wird von keiner Behörde bestraft oder verfolgt …«
    »Das ist ungeheuerlich«, sagte Oberst Sinjew tonlos.
    Ryschikow sah ihn streng an. »Ich habe nicht um ihre Meinung gebeten, Oberst!« schnauzteer. »Madame verliest ein Gesetz, merken Sie sich das.«
    »… Die Frauen der Verbannten dürfen die ihnen zugewiesenen Wohnplätze nie mehr in ihrem Leben verlassen, es sei denn, es erfolgt ein neuer Befehl des Zaren. Wenn sie Briefe schreiben, müssen diese in offenem Zustand bei dem Kommandanten des Lagers abgegeben werden. Zweimal in der Woche ist es den Frauen der Verbannten gestattet, ihre Männer zu empfangen. Ein Wachtposten wird sie begleiten …«
    Nadja hob den Kopf. General Ryschikow schien verlegen zu sein. »Sind wir Stuten, die man nach dem Kalender belegt?« fragte Nadja laut. Oberst Sinjew schnaubte wütend durch die Nase.
    »So geht es weiter, Madame.« Ryschikow legte seine Hand auf die Papierbogen. »Es sind noch hundert Verbote, aber nicht eine Erlaubnis. Kein zusätzliches Essen an die verbannten Männer. Keinen Tabak. Keine Wäsche. Keine Briefe, die der Kommandant nicht abgezeichnet hat. Kein Treffen außerhalb der beiden Tage in der Woche. Keine Sprecherlaubnis. Sie können Ihren Mann sehen, Sie dürfen in seiner Nähe leben, Sie dürfen ihn zweimal in der Woche lieben, Sie können jedes Jahr ein Kind kriegen … Wenn Sie das wollen, Madame …« Ryschikow hob seine Hand von den Papieren ab. »Dann unterschreiben Sie.«
    »Ich will!« Nadja nickte und hob die Hand. »Bitte Ihren Federhalter, Exzellenz.«
    Mit kräftigen Strichen setzte sie ihren Namen unter das Dokument, mit dem sie ihre Freiheit und die Freiheit ihrer Kinder aufgab.
    Nadja Grigorijewna Gurjewa.
    Hinter ihr stöhnte Oberst Sinjew leise. General Ryschikow betrachtete wieder seine grünen Vorhänge. Beide zuckten zusammen, als Nadja den Federhalter auf den Tisch warf … das kleine Geräusch klang wie eine Explosion.
    »Kann ich jetzt Nikolai sehen und sprechen?« sagte sie mit fester Stimme.
    General Ryschikow schüttelte den Kopf.
    »Mit Ihrer Unterschrift, Madame, beginnt die erste Woche Ihres Daseins als Sträflingsfrau Gurjewa. Der erste Besuchstag ist in drei Tagen. Es ist ein Dienstag. Man wird Sie jetzt in Ihre Unterkunft bringen.«
    Am Dienstag sahen sie sich nicht. General Ryschikow hatte alle Vergünstigungen gesperrt. Im Lager hatte es einen Aufstand gegeben. Widerstand gegen eine saure Kohlsuppe, die dreimal ausgegeben worden war. Das war eine Rebellion, und Ryschikow bestrafte als Exempel zehn Sträflinge mit zwanzig Peitschenhieben, ohne zu fragen, ob die Gezüchtigten bei der Revolte mitgemacht hatten.
    Eine Woche später wurden die vierhundert in vier Gruppen aufgeteilt. Die blankgeputzten Ketten wurden ihnen wieder umgelegt, und an drei Tagen wurden je hundert Mann mit einem Holzzug weggeschickt in das Lager Ust-Tschenaja, von dem es hieß, daß selbst die Wölfe weinten, wenn sie diesen Namen hörten.
    Mit dem letzten Transport verließ auch Nikolai Gurjew die Stadt Tschita. Vergeblich sah er umher, ob er Nadja irgendwo bemerkte, aber der Bahnhof war leer, nur die Soldaten standen umher, sogar General Ryschikow war gekommen, um den letzten Transport abfahren zu sehen.
    Voll dunkler Ahnungen, zerrissen von Sorge um Nadja, sah Nikolai die Stadt Tschita im Schneenebel versinken … Dann ratterten sie wieder durch die im Frost erstarrten Urwälder, die Unendlichkeit, das Schweigen Sibiriens umgab ihn …
    Endlich, nach drei Tagen eisiger Zugfahrt, hielten sie auf dem Blockhüttenbahnhof von Ust-Tschenaja. Ein Zug Soldaten wartete schon, und in der Tür des Stationsgebäudes stand Nadja Gurjewa, dick in einen Pelz gewickelt, und neben ihr dampfte ein großer Kessel mit heißem Wasser.
    In den Viehwaggons klang Jubel auf.
    Brüderchen – unsere eisigen Bäuche werden wieder warm! Unsere starren Glieder bekommen wieder Leben! Seht nur, wie es dampft!
    Ein ganzer Kessel voll!
    Jemand schrie hurra, und hundert Kehlen fielen ein. Unter

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