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Die Todesliste

Die Todesliste

Titel: Die Todesliste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frederick Forsyth
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der vergangenen Woche. Die dunkelbraunen Augen des Afghanen waren auf das Gesicht des Spürhunds gerichtet, und er zuckte nicht mit der Wimper. Schließlich nickte er.
    »Es ist viele Jahre her, doch es war dieselbe Stimme.«
    »Aber im Fernsehen hat er Englisch gesprochen. Du verstehst kein Englisch. Woher willst du es wissen?«
    Mahmud Gul zuckte die Achseln.
    »Es war die Art, wie er sprach«, sagte er, als wäre da nichts anderes zu bedenken. Bei Mozart nannte man es das »absolute Gehör« – die Fähigkeit, Töne aufzunehmen und sich exakt so an sie zu erinnern, wie sie waren. Mahmud Gul mochte ein analphabetischer Bauer sein, doch wenn seine Überzeugung sich als richtig erwies, verfügte er über das gleiche absolute Gehör.
    »Bitte erzähl mir, was gewesen ist.«
    Der alte Mann schwieg, und sein Blick fiel auf das Bündel, das der Amerikaner mitgebracht hatte.
    »Zeit für die Geschenke«, flüsterte der Australier.
    »Entschuldige«, sagte der Spürhund und riss die Schnur auf. Er breitete aus, was er mitgebracht hatte: zwei Büffelgewänder aus einem Geschäft für indianische Folkloreartikel, mit warmem Fleece gefüttert.
    »Vor langer Zeit jagten die Menschen in meinem Land den Büffel, um Fleisch und Felle zu haben. Es ist der wärmste Pelz, den wir kennen. Im Winter hüllst du dich hinein. Du schläfst auf dem einen und deckst dich mit dem anderen zu, und du wirst nie wieder frieren.«
    Langsam zerfurchte ein Lächeln Mahmud Guls Walnussgesicht, das erste Lächeln, das Hawkins bei ihm gesehen hatte. Er hatte nur noch vier Zähne, aber sie taten ihr Bestes, um das Lächeln breit erstrahlen zu lassen. Er fuhr mit den Fingern durch den dichten Pelz. Die Juwelentruhe der Königin von Saba hätte ihm keine größere Freude bereiten können. Also erzählte er seine Geschichte.
    »Es war im Kampf gegen die Amerikaner, gleich nach der Invasion und dem Angriff auf die Regierung Mullah Omars. Tadschiken und Usbeken strömten aus ihrer Enklave im Nordosten. Wir wären mit ihnen fertiggeworden, aber sie hatten Amerikaner auf ihrer Seite, und die feringhee steuerten die Flugzeuge, die mit Bomben und Raketen aus dem Himmel kamen. Die Amerikaner konnten mit den Flugzeugen sprechen und ihnen sagen, wo wir waren, sodass die Bomben selten fehlgingen. Es war sehr schlimm.
    Nördlich von Bagram, auf dem Rückzug durch das Salang-Tal, wurde ich im freien Gelände erwischt. Ein amerikanisches Kampfflugzeug schoss viele Male auf mich. Ich versteckte mich hinter einem Felsen, doch als sie weg waren, sah ich, dass mich eine Kugel an der Hüfte getroffen hatte. Meine Männer trugen mich nach Kabul. Dort legte man mich auf einen Lastwagen und brachte mich weiter nach Süden. Wir kamen durch Kandahar und überquerten bei Spin Boldak die Grenze nach Pakistan. Unsere Freunde dort gaben uns Unterschlupf. Wir kamen nach Quetta, und dort war ein Arzt, der meine Hüfte versorgte.
    Im Frühling konnte ich wieder mit dem Laufen anfangen. Ich war damals noch jung und stark, und die zersplitterten Knochen heilten gut. Aber ich hatte große Schmerzen und musste mit einer Krücke gehen. In diesem Frühling wurde ich zur Schura in Quetta eingeladen und saß mit dem Mullah im großen Rat.
    Im selben Frühling kam eine Delegation aus Islamabad nach Quetta zu einer Beratung mit Mullah Omar. Es waren zwei Generäle, doch sie sprachen kein Paschtu, sondern nur Urdu. Einer der Offiziere hatte seinen Sohn mitgebracht, einen Jungen noch. Er sprach fließend Paschtu, mit dem Akzent des Hochlands von Siachen, und er übersetzte für die Generäle. Sie sagten uns, sie müssten so tun, als kooperierten sie mit den Amerikanern, aber sie würden uns niemals im Stich lassen und erlauben, dass unsere Talibanbewegung vernichtet würde. Und so war es auch.
    Ich sprach mit dem Jungen aus Islamabad, und er war es, der auf dem gläsernen Schirm sprach. Er war es, hinter der Maske. Übrigens hatte er bernsteinfarbene Augen.«
    Der Spürhund bedankte und verabschiedete sich. Er ging die Straße hinunter zum Dreschplatz. Überall standen schweigende Männer und starrten ihn an, und die Frauen spähten durch die Ritzen der Fensterläden. Die Kinder versteckten sich hinter ihren Vätern und Onkeln. Niemand behelligte ihn.
    Die Ranger bildeten einen auswärts gewandten Kreis, ließen die beiden Offiziere in den Hubschrauber steigen und gingen ebenfalls an Bord. Der Hubschrauber startete, wirbelte Staub und Kleie auf, und sie flogen zurück nach Bagram. Dort gibt es

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