Die Todesliste
erlaubt, Kaffee zu bestellen. Wie trinken Sie ihn?«
Er hätte eine der todschicken jungen Sekretärinnen, die auf diesem Stockwerk arbeiteten, bitten können, durch die Nebentür hereinzukommen und den Kaffee zu servieren, doch er tat es selbst. Konrad Armitage, kürzlich aus London eingetroffen, war der Stationschef des britischen Secret Intelligence Service, kurz SIS.
Von seinem Vorgänger wusste er sehr wohl, wer dieser Besucher war, und das Zusammentreffen war ihm willkommen. Das Bewusstsein einer gemeinsamen Sache, eines gemeinsamen Interesses und eines gemeinsamen Feindes bestand auf beiden Seiten.
»Und was kann ich für Sie tun?«
»Ich habe ein ungewöhnliches Anliegen. Ich hätte es auf dem üblichen Weg übermitteln können, aber ich dachte, wir beide sollten uns irgendwann sowieso kennenlernen. Also habe ich es kurz gemacht.«
»Durchaus. Und das Anliegen?«
»Hat Ihr Dienst einen Kontakt oder, besser noch, einen Undercoveragenten bei al-Schabaab in Somalia?«
»Wow. Das ist allerdings ungewöhnlich. Nicht mein Fach. Wir haben natürlich eine Informationsabteilung. Ich werde mich erkundigen müssen. Darf ich fragen, ob es um den Prediger geht?«
Armitage war kein Hellseher. Er wusste, wer der Spürhund war und was er tat. In Großbritannien war soeben der vierte Mord von einem jungen Fanatiker begangen worden, der sich von den Onlinetiraden des Predigers hatte inspirieren lassen. In Amerika waren es sieben, und beide Geheimdienste wussten, wie viel ihren Regierungen daran gelegen war, diesem Mann ein Ende zu bereiten.
»Möglich«, sagte der Spürhund.
»Na, ausgezeichnet. Wie Sie wissen, sind wir genau wie Ihre Freunde aus Langley in Mogadischu vertreten. Doch falls diese Vertretung jemanden draußen in der Wildnis hat, würde es mich wundern, wenn da nicht eine Art Zusammenarbeit angeboten worden wäre. Meine Anfrage wird morgen früh in London sein.«
Die Antwort war in nur zwei Tagen da, aber es war die gleiche wie die der CIA . Und Armitage hatte recht: Wenn eines der beiden Länder eine Quelle innerhalb von Südsomalia hätte, wäre sie zu wertvoll, um sich nicht Kosten wie Resultate zu teilen.
Die Antwort des ISI -Manns Dschawad war sehr viel hilfreicher. Zu denen, an die er die Berichte über seine vorgebliche Spionagetätigkeit gegen die Amerikaner lieferte, gehörte ein Kontakt im notorischen »S Wing«, der »Abteilung S«, die in jeder Hinsicht für die zahllosen gewalttätigen Dschihadistengruppen im Grenzstreifen zwischen Kaschmir und Quetta zuständig war.
Für Dschawad wäre es viel zu riskant gewesen, direkt zu fragen: Seine Tarnung wäre geplatzt, und er hätte seine wahren Auftraggeber preisgegeben. Aber zu seinem ISI -Job gehörte die Befugnis zum Umgang mit Amerikanern. Also behauptete er, auf einer Cocktailparty ein Gespräch zwischen zwei Diplomaten belauscht zu haben. Aus reiner Neugier befragte der S-Wing-Offizier die Archivdatenbank, und Dschawad stand hinter ihm und notierte sich die Datei, die er aufrief.
Als er die Recherche beendet hatte, befahl der Offizier, den Amerikanern mitzuteilen, so einen Hinweis gebe es nicht. In der folgenden Nacht rief Dschawad die Datenbank noch einmal auf und sah sich die Datei an.
Den Hinweis gab es sehr wohl, nur war er Jahre alt. Er stammte von einem ISI -Spion in Iljas Kaschmiris Brigade 313, einer Einheit von Fanatikern und Mördern. Die Rede war von einem Neuankömmling von Laschkar-e-Taiba, einem Fanatiker, dem die Überfälle auf Kaschmir zu zahm gewesen waren. Der junge Rekrut sprach Arabisch und Paschtu so gut wie Urdu, und deshalb hatte die 313 ihn aufgenommen. Die Brigade bestand hauptsächlich aus Arabern und arbeitete eng mit dem paschtusprachigen Hakkani-Clan zusammen. In dem Bericht wurde hinzugefügt, darin bestehe seine Nützlichkeit, aber als Kämpfer müsse er sich noch erweisen. Er hatte bernsteingelbe Augen und nannte sich Abu Azzam.
Deshalb also war er vor zehn Jahren verschwunden. Er hatte die Terrorgruppe gewechselt und sich einen neuen Namen zugelegt.
Das Counterterrorism Center der USA besitzt eine gigantische Datenbank über dschihadistische Terrorgruppen, und die Eingabe des Namens Abu Azzam erbrachte eine Fülle von Informationen.
Im sowjetisch besetzten Afghanistan hatte es sieben Warlords gegeben, die zusammen die Mudschaheddin bildeten, vom Westen unterstützt und als »Patrioten«, »Partisanen« und »Freiheitskämpfer« bejubelt. Sie, und nur sie allein, bekamen die Unmengen an Geld und
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