Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Toechter der Kaelte

Die Toechter der Kaelte

Titel: Die Toechter der Kaelte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Camilla Läckberg
Vom Netzwerk:
sonderlich kümmerte, fühlte es sich immer gut an, wenn man ein bißchen von diesem Stoß- bekam.
    Als Anders’ Schritte auf der Vortreppe erklangen, schliefen Karl und Johan bereits, und sie saß am Küchentisch und las in einer Frauenzeitschrift. Sie schaute zerstreut hoch und nickte, fuhr dann aber zusammen. Er sah nicht so müde und niedergeschlagen aus wie üblich, wenn er heimkam, sondern in seinen Augen lag ein Glanz, den sie seit langem nicht gesehen hatte. Das weckte eine diffuse Unruhe in ihr.
    Er nahm ihr gegenüber schwer auf einem der Holzstühle Platz, faltete erwartungsvoll die Hände und ließ sie auf der schäbigen Tischplatte ruhen.
    »Agnes«, sagte er und saß so lange schweigend da, daß das unbehagliche Gefühl in ihrem Bauch anwuchs. Er hatte offenbar etwas auf dem Herzen, und wenn sie aus ihrem Schicksal etwas gelernt hatte, dann war es, daß Überraschungen selten Gutes brachten.
    »Agnes«, wiederholte er, »ich habe viel über unsere Zukunft und unsere Familie nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß wir etwas ändern müssen.«
    Ja, soweit war sie seiner Meinung. Sie konnte nur nicht richtig sehen, was er tun konnte, um ihr Leben zum Besseren zu wenden.
    Anders fuhr mit offensichtlichem Stolz fort: »Also deshalb habe ich im letzten Jahr so viele zusätzliche Arbeiten wie nur möglich übernommen und das ganze Geld zur Seite gelegt, um uns ein einfaches Billett kaufen zu können.«
    »Ein Billett, und wohin?« fragte Agnes mit steigender Unruhe und allmählich auch gereizt, als sie begriff, daß er ihr Geld vorenthalten hatte.
    »Nach Amerika«, antwortete Anders und schien auf eine positive Reaktion von ihr zu warten. Statt dessen fühlte Agnes, daß der Schock ihr Gesicht gefühllos machte. Was war diesem Idioten jetzt wieder eingefallen?!
    »Amerika?« war alles, was sie herausbrachte.
    Er nickte eifrig. »Ja, wir fahren schon in einer Woche, und ich habe gemacht und getan, das kannst du glauben. Ich hatte Kontakt mit ein paar von den Schweden, die aus Fjällbacka dort hinüber gefahren sind, und sie haben mir versichert, daß es für jemanden wie mich genügend Arbeit gibt, und ist man nur geschickt, kann man sich eine gute Zukunft aufbauen, >over there<«, sagte er in seinem breiten Blekinge-Dialekt, offenbar stolz darauf, daß er schon zwei Worte seiner neuen Sprache beherrschte.
    Agnes wollte sich am liebsten vorbeugen und ihm direkt in sein frohes, grinsendes Gesicht schlagen. Was hatte er sich nur dabei gedacht! War er so einfältig, daß er glaubte, sie würde zusammen mit ihm und seinen Kindern ein Schiff in ein fremdes Land besteigen! Damit sie in noch größere Abhängigkeit von ihm geriete, in einem unbekannten Land mit unbekannter Sprache und mit unbekannten Menschen? Sicher haßte sie ihr hiesiges Dasein, doch gab es hier zumindest die Möglichkeit, sich hin und wieder aus diesem Höllenloch, in dem sie gelandet war, fortzustehlen. Allerdings, wenn sie ehrlich sein sollte, hatte sie selbst mit dem Gedanken gespielt, nach Amerika zu fahren, jedoch allem, ohne ihn und die Kinder als Fessel am Bein.
    Anders jedoch sah nicht das Entsetzen in ihrem Gesicht, er zog nur überglücklich die Billetts aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. Voller Panik betrachtete Agnes die vier Papierstücke, die wie ein Fächer vor ihm ausgebreitet lagen. Sie wollte am liebsten zusammensinken und weinen.
    Ihr blieb noch eine Woche. Eine jämmerliche Woche, um sich auf irgendeine Weise aus dieser Situation zu befreien. Mit starren Lippen lächelte sie Anders an.
     
    Monica war zum Supermarkt gefahren, um einzukaufen. Aber plötzlich stellte sie den Korb weg und ging ohne eine einzige Ware aus der Tür. Irgend etwas sagte ihr, sie müsse nach Hause. Ihre Mutter und Großmutter waren genauso gewesen. Sie hatten gespürt, wenn etwas geschah, und sie hatte gelernt, auf ihre innere Stimme zu hören. Sie stieg in ihren kleinen Fiat und gab Vollgas, als sie den Berg umrundete, an Kullen vorbeifuhr. Als sie dann um die Ecke bog auf der Straße hoch nach Sälvik, sah sie die Streifenwagen, die vor ihrem Haus parkten, und wußte, daß es richtig gewesen war, auf ihren Instinkt zu hören. Sie hielt direkt hinter dem Funkwagen und stieg vorsichtig aus, voller Angst, was ihr dort wohl begegnen würde. In der letzten Woche hatte sie jede Nacht genau diesen Traum gehabt. Polizisten, die zu ihnen nach Hause kamen und all das ans Licht brachten, was sie getan hatte, um nicht nachdenken zu müssen.

Weitere Kostenlose Bücher