Die Toechter der Kaelte
ließ Lilian wieder die Stimme erheben. Die roten Zornesflecken, die sie beim Kommen der Männer gehabt hatte, flammten erneut auf.
»Jemand, der uns schaden will. Ja, das will ich meinen. Es gibt nur eine Person, auf die diese Beschreibung paßt, und das ist unser Nachbar Kaj. Er haßt unsere Familie und hat seit Jahren alles getan, um uns das Leben zur Hölle zu machen!«
»Mama, jetzt sei nicht albern«, sagte Charlotte. »Kaj und du, ihr kriegt euch seit Jahren gegenseitig in die Haare, aber weshalb sollte er Sara etwas antun wollen?«
»Der Mann ist zu allem imstande. Er ist ein Psychopath, könnt ihr mir glauben. Und nehmt seinen Sohn Morgan auch gleich mal unter die Lupe. Bei dem stimmt was im Kopf nicht, und so einer kann ja alles mögliche tun. Man denke nur an all diese Psychos, die man wieder auf die Straße gelassen hat, und was haben die dann nicht alles angerichtet. Er gehörte auch eingesperrt, wenn es vernünftig zuginge!«
Niclas legte ihr die Hand auf den Arm, um sie zu beschwichtigen. Ohne Ergebnis. Albin wimmerte unruhig, als er den Ton ihrer Stimmen vernahm.
»Kaj haßt mich, nur weil er endlich auf jemanden gestoßen ist, der ihm zu widersprechen wagt! Er glaubt, was Besonderes zu sein, nur weil er Direktor war und jede Menge Geld hat. Glaubt, mit seiner Frau einfach herziehen zu können und daß sie hier im Ort wie Könige behandelt werden! Völlig rücksichtslos ist er außerdem, also halte ich, was diesen Kerl angeht, wirklich alles für möglich!«
»Hör auf, Mama!« Charlottes Stimme klang jetzt scharf, und sie starrte ihre Mutter böse an. »Mach hier jetzt keine Szene!«
Der Ausbruch ließ Lilian verstummen und vor Wut die Zähne zusammenbeißen. Aber sie wagte nicht, der Tochter zu widersprechen.
»Ja, also«, Patrik zögerte, leicht geschockt von Lilians Tirade, »außer dem Nachbarn kennt ihr also niemanden, der etwas gegen eure Familie hat?«
Alle schüttelten den Kopf. Er schlug den Block zu.
»Ja dann, im Augenblick haben wir keine weiteren Fragen. Ich möchte nur noch einmal sagen, daß ich euren Verlust aufrichtig bedauere.«
Niclas nickte und stand auf, um die Polizisten nach draußen zu geleiten. Patrik drehte sich zu Erica um.
»Bleibst du, oder sollen wir dich nach Hause fahren?«
Mit dem Blick auf Charlotte antwortete Erica: »Ich bleibe noch etwas.«
Vor der Haustür hielt Patrik inne und holte tief Luft.
Aus dem Erdgeschoß hörte er das An- und Abschwellen von Stimmen. Er fragte sich, wer da wohl gekommen war. Wie üblich kümmerte sich keiner darum, ihn von dem, was da geschah, zu informieren. Aber das war vielleicht das beste. Ehrlich gesagt, wußte er nicht, ob er all die Details dessen, was passiert war, verkraftete. In gewisser Weise war es schöner, hier oben im Bett wie in einem Kokon zu liegen, wo das Gehirn in Ruhe all die Gefühle bearbeiten konnte, die Saras Tod ausgelöst hatte. Seine Krankheit machte es auf merkwürdige Weise leichter, mit der Trauer umzugehen. Der körperliche Schmerz verlangte unentwegt seine Aufmerksamkeit und verdrängte einen Teil des gefühlsmäßigen Leids.
Stig drehte sich mühsam im Bett um und starrte blicklos an die Wand. Er hatte das Mädchen geliebt, als sei es sein eigenes Enkelkind. Zwar sah er sehr wohl, daß ihr Temperament zuweilen recht heftig war, doch geschah so etwas nie, wenn sie ihn hier oben besuchte. Es war, als würde sie instinktiv die in ihm wütende Krankheit spüren und dieser und ihm Respekt erweisen. Sie war wohl die einzige, die wußte, wie schlimm es um ihn stand. Vor den anderen tat er alles, um nicht zu zeigen, wie groß seine Qual war. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater waren einen erbärmlichen, erniedrigenden Tod in einem überfüllten Krankenhauszimmer gestorben, und das war ein Schicksal, dem er mit aller Macht zu entgehen suchte. Vor Lilian und Niclas glückte es ihm stets, seine letzten Energiereserven zu mobilisieren und eine relativ beherrschte Fassade vorzuzeigen. Und es war, als würde die Krankheit das Ihre tun, um ihm zu helfen, sich vom Krankenhaus fernzuhalten.
In regelmäßigen Abständen ging es ihm wieder gut, vielleicht war er ein wenig müder und schwächer als normal, aber voll in der Lage, den Alltag zu bewältigen. Doch dann wurde er stets aufs neue krank und ein paar Wochen bettlägerig. Niclas wirkte immer besorgter, aber glücklicherweise hatte Lilian ihn bisher überzeugen können, daß er es daheim am besten hatte.
Sie war wirklich ein
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