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Die Töchter der Lagune

Die Töchter der Lagune

Titel: Die Töchter der Lagune Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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er noch zu seinem alten, sanften Selbst zurück, doch wesentlich öfter fiel es ihr schwer, den Mann wiederzuerkennen, den sie geheiratet hatte. Es war, als ob ihr die Kontrolle langsam, aber sicher aus den Händen glitt. Wenn sie sich liebten, schien alles, wie zuvor, und sie klammerte sich verzweifelt an diese kostbaren Momente. Aber die Erinnerung an den beinahe wahnsinnigen und hoffnungsleeren Ausdruck in seinen Augen und die blutige Hand, mit der er sie von sich gestoßen hatte, hatten sie die ganze Nacht hindurch verfolgt. Er hatte sich wortkarg für sein Verhalten entschuldigt, als er nach dem Bankett ihr Gemach betrat. Doch die wenigen Worte hatten nur ungenügend die Wut verschleiert, die tief in ihm zu brennen schien. Seit diesem Moment hatte er sich in eine eigene Welt zurückgezogen, an der sie nicht teilhaben konnte. Und die Anspannung, die in jeder seiner Gesten zu lesen war, bereitete ihr Furcht. Was war es, das sie immer mehr entfremdete? Warum sah er sie manchmal an, als ob er sie genauso hasste wie den Feind vor den Stadttoren? Bereute er es bereits, eine unfruchtbare Frau geehelicht zu haben? War er wütend auf sie, weil sie nicht empfing? Sie seufzte und verknotete mechanisch die Bandage um das zerschmetterte Handgelenk des Soldaten, der zuvorderst in der langen Schlange stand.
     
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    Blutig und schmutzverklebt kehrte Christoforo Moro vom Ort des Geschehens zurück. Es war ihnen gelungen, den Feind nach fünf Stunden erbitterten Nahkampfes zurückzuschlagen, selbst wenn die Verluste enorm waren – auch sein Schwager zählte zu den Opfern. Im Innern seines schweren Kopfes hämmerte jemand mit einem Schmiedehammer gegen sein Schädelbein. Die Männer hatten tapfer gekämpft, und er war überzeugt davon, dass der türkische General einige Zeit brauchen würde, um den nächsten Angriff zu planen. Man würde so schnell wie möglich die verstümmelten Leichen der Gefallenen verbrennen müssen – bevor sie anfingen, in der Hitze des neuen Tages Aasfresser und Insekten anzuziehen.
     
    Er war wütend auf sich. Den ganzen Tag über war es ihm schwergefallen, sich auf das tödliche Handwerk zu konzentrieren, das ihm gewöhnlich so leicht von der Hand ging. Immer wieder war das scheinbar unschuldige Gesicht seiner Gemahlin vor seinen Augen aufgetaucht, und mehr als einmal war er nur knapp dem Krummschwert eines Angreifers entkommen. Warum konnte er sie nicht einfach vergessen und sich auf die Dinge konzentrieren, die von größerer Wichtigkeit waren als weibliche Untreue? Er stöhnte und presste den Handballen gegen die brennende Stirn. Nur mühsam unterdrückte er einen ärgerlichen Fluch, als der tiefe Schnitt, den er sich am vergangenen Abend zugefügt hatte, wieder aufriss. „Es ist besser, betrogen zu werden, ohne es zu ahnen, als nur einen Teil der Tat zu kennen!“, hörte er sich durch zusammengebissene Zähne knurren. Denn sein Vorsatz, sein Herz vor ihrem Liebreiz zu verschließen, war schwerer in die Tat umzusetzen, als er gedacht hatte.
     
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    Da war Moro! Jago versetzte dem schluchzenden Mädchen einen Stoß, sodass es in die enge Gasse stolperte, und zog die Hose hoch. Er war vom Wehrgang auf den Zinnen zurückgekehrt – wo er sich von der unter ihm tobenden Schlacht möglichst ferngehalten hatte – als er sah, wie sie einen Eimer schmutziges Wasser in eine Grube hinter der Stadtmauer leerte. Ihr wohlgerundetes Gesäß hatte sich deutlich unter dem dünnen Stoff ihres zerlumpten Kleides abgezeichnet, und ihr Gesicht hatte ihn an Giulias falsche Larve erinnert. Einen Moment lang hatte er sich gestattet, der Täuschung zu erliegen, dann hatte die Lust ihn übermannt. Ohne zu überlegen, hatte er sie von hinten gepackt, sie gegen die Wand gezwungen, und nachdem er gierig ihre Röcke hochgeschoben hatte, sie stöhnend geschändet. Sie war noch jungfräulich, und die erstickten Schreie, die sich ihrer Kehle entrangen, hatten seine Gier noch gesteigert. Immer härter und schneller hatte er in sie gestoßen, bis er sich schließlich schwitzend in sie ergossen hatte. Es schien Ewigkeiten her, dass er sich so gut amüsiert hatte. Seine Gemahlin, Emilia, ekelte ihn an mit ihrer Unterwürfigkeit und den verwundeten Augen.
     
    „General!“ Hastig stopfte er die Hemdzipfel in den Gürtel, bevor er ins Licht der Fackeln trat, die entlang der gepflasterten Hauptstraße entzündet worden waren. Die Lust war eine Sache, aber sein Plan hatte absoluten Vorrang. „Geht mir aus den

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