Die Töchter der Lagune
„Ruh dich ein wenig aus. Ich bin bald wieder bei dir.“ Mit diesen Worten küsste er sie auf die Stirn und steuerte auf die angrenzende Kammer zu, in der ein junger Diener gerade den Tisch deckte. Er hatte seit dem Mittagessen nichts mehr zu sich genommen und war dem Verhungern nah. Er würde sich um seine Gemahlin kümmern, wenn er seinen knurrenden Magen gefüllt und sich gesäubert hatte.
Eine Stunde später ließ er sich wieder auf dem Bett nieder. „Möchtest du darüber sprechen?“, fragte er mitfühlend. Desdemona schüttelte langsam, aber entschlossen den Kopf. „Nein. Ich habe den ganzen Tag über mit meinen Gefühlen gekämpft“, erwiderte sie und drückte seine schwielige Hand. „Mein Verstand hat mir unzählige Entschuldigungen für das, was geschehen ist, geliefert. Aber ich denke, diese Wunde wird noch eine Weile brauchen, bis sie verheilt ist.“ Ihre Augen schimmerten matt vor unterdrücktem Schmerz und bitterer Selbstanklage. „Ich muss dich heute Nacht spüren.“ Es war nur ein Flüstern, aber die Eindringlichkeit ihrer Worte ließ Christoforo Moro einen Schauer über den Rücken laufen.
Der nächste Morgen schien in eine andere Welt zu gehören. Desdemona wurde davon wach, dass die Sonne auf der nackten Haut ihrer Schulter spielte. Sie lag in Christoforos Armen, und ihr Kopf hob und senkte sich mit jedem Atemzug auf seiner Brust. Sie hatten sich geliebt – zuerst sanft, dann wild und hungrig – und hatten die Kraft des Lebens in ihren schwitzenden Körpern gespürt. Es war, als ob am Ende das Leben den Sieg über den Tod davongetragen hatte, als sie in Lust erstorben waren. Sie war sich sicher, dass sie dieses Mal empfangen hatte.
Langsam hob sie den Kopf und drückte Christoforo einen sanften Kuss auf die Schläfe. Es war Zeit aufzustehen. Er bewegte sich grunzend und sie rutschte von seiner Schulter, als er sich umdrehte, um den Kopf in den Kissen zu vergraben. „Wach auf, Liebster“, flüsterte sie ihm ins Ohr und biss zärtlich in sein Ohrläppchen. „Hmm“, murmelte er und blinzelte verschlafen. Desdemona hüllte sich in eine der dünnen Decken und hüpfte aus dem Bett. „Du musst aufstehen, Christoforo. Oder deine Männer müssen ohne dich anfangen.“ Er schnaubte verstimmt. „Weißt du“, ein hemmungsloses Gähnen unterbrach ihn mitten im Satz, „manchmal beneide ich Marcantonio in seinem Palazzo del Provveditore wirklich. Dort ist es nicht halb so zugig wie in dieser alten Ruine.“ Desdemonas Kopf tauchte aus der Waschschüssel auf, und von ihrem Gesicht rann eiskaltes Wasser. „Ich glaube, seine Verletzung war nicht ganz so ernst, wie er vorgegeben hat – schließlich war es nur eine Fleischwunde“, fügte ihr Gemahl nachdenklich hinzu. Er setzte sich faul auf und lehnte sich mit dem Rücken an das Kopfende des Bettes, während er seiner Frau bei der Morgenwäsche zusah. „Er benutzt zwar immer noch den Gehstock, aber wenn er sich unbeobachtet wähnt, hinkt er nicht mehr.“
Desdemona konnte nicht antworten, da ihr Mund voller Minzspülung war. Jeden Morgen und Abend spülte sie sich den Mund mit Essig, in dem frische Minze aus dem winzigen Kräutergarten hinter dem Küchengebäude eingelegt war, und schrubbte danach Zähne und Zahnfleisch mit trockener Minze und einem feinen Tüchlein. Sie hasste das Gefühl, einen schlechten Atem zu haben. Als sie mit der Prozedur fertig war, wandte sie sich um – das Gesicht mit einem Schlag ernst. Es gab ein Versprechen, das sie halten musste, und Christoforo hatte sie soeben unfreiwillig daran erinnert. Mit einer Geste gab sie ihm zu verstehen, dass das Waschgestell frei war, ließ die Decke fallen und kämpfte sich in eine elfenbeinfarbene Camicia. „Christoforo“, begann sie, nicht sicher, wie sie das Thema anschneiden sollte. „Ich habe mich mit einem guten Freund unterhalten.“ Da sein Gesicht eingeseift war und ein Rasiermesser an seiner Wange lag, konnte er nichts darauf erwidern, und sie fuhr fort. „Mit Cassio. Er welkt unter deinem Missfallen dahin. Du solltest ihn treffen, mit ihm reden, ihm seinen Rang zurückgeben.“ Zuerst durchzuckte ihn bei der Erwähnung von Cassios Namen der Stich heißer Eifersucht. Doch er wurde beinahe umgehend von Erleichterung vertrieben. Darum ging es also. Jago hatte sich getäuscht! Alles, was seine Gemahlin bezweckte, war ihn mit seinem ehemaligen Oberstleutnant zu versöhnen!
„Ich leide mit ihm, Liebster. Er sieht so unglücklich und
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