Die Toechter Egalias
Vorbereitung das Wort zu ergreifen. Dafür lächelten sie charmant und schenkten Kaffee ein.
Bis zur ersten Volksburgsitzung verhielten sie sich still. Dort erst trug sich einer der Repräsentanten für Donna Klaras Botschaft in die Rednerliste ein: Syprian Barmerud. Allgemein war Syprian Barmerud als Sohn der Rektorin Barmerud bekannt. Aber nur wenige wußten, daß er aktiv in der Männerbewegung tätig war. Die Volksfrauen folgten ihm gespannt, als er zum Rednerpult ging. Doch kaum hatte er mit seinen Ausführungen begonnen, da tuschelten sie mit ihren Nachbarinnen oder raschelten in ihren Papieren. Das Geflüstere und Geraschel hörte jedoch bald auf. Irgendeine im Saal rief: „Abgekartete Sache!“, und alle spitzten plötzlich die Ohren.
„...und haben uns deshalb bei den Verhandlungen zwischen den Egalistischen Demokraten, der Egalitär-Demokratischen Vereinigung und Donna Klaras Botschaft zurückgehalten. Wir drei männlichen Repräsentanten für die DKB befinden uns in der Situation, das Zünglein an der Waage zu sein. Wir erklären hiermit, daß wir in der kommenden Legislaturperiode von der liberalen Repräsentationstheorie Gebrauch machen werden, einer Theorie, die in Egalia noch Gültigkeit besitzt. Wir sind als Vertrauensmänner des Volkes in die Volksburg eingezogen...“
„Vertrauensmänner?!“ wurde geflüstert. „Können die nicht einmal richtig egalitanisch reden?“
„...und haben ein Recht darauf, zu denken und zu sagen, was wir wollen, und zwar unabhängig davon, über welche Parteiliste wir in die Volksburg hineingefragt wurden, und auch unabhängig von dem Programm der Partei. Mit anderen Worten: Wir haben unser eigenes Programm, ein Programm, das die Befreiung der Männer in Egalia fordert. Das Programm kann übrigens eine jede lesen, denn es wurden während der Umfragekampagne in der Stadt Flugblätter mit dem genauen Wortlaut verteilt. Das darf aber nicht dahingehend verstanden werden, daß die Männerbewegung jetzt den Status einer Partei hat. Die Männer in Donna Klaras Botschaft sind als freie Repräsentanten zu betrachten, so wie die Gründermütter es auf dem Demokraberg einst vorgeschrieben haben. Wir erklären hiermit ausdrücklich, daß wir uns auf unser Recht der freien Meinungsäußerung und unser Gewissen berufen werden, um jene Richtungen zu unterstützen, die Männerpolitik machen, jene Richtungen, die effektiv dafür arbeiten, die Geschlechtsdiskriminierung am Arbeitsplatz und zu Hause abzuschaffen. Dies ist unser unverrückbarer Standpunkt.“
Syprian Barmeruds Erklärung löste große Unruhe und Verwirrung aus. In den folgenden Tagen liefen fieberhafte Untersuchungen an, um herauszufinden, ob der Coup nicht gegen das Grundgesetz verstieß oder zumindest gesetzwidrig war. Dam überprüfte auch, ob nicht bei der Anzahl der Frauen gepfuscht worden war. Donna Klaras Botschaft zeigte die drei männlichen Volksfrauen wegen Betrugs und arglistiger Täuschung an, doch die Klage wurde abgewiesen. Die Verfassungsexpertinnen schüttelten nur den Kopf und kratzten sich aufgebracht an der Brust. Verfassungsmäßig seien die männlichen Repräsentanten durchaus im Recht gewesen, als sie sich auf das Prinzip der Unabhängigkeit aller Repräsentanten berufen hätten.
So gab es nur noch die Möglichkeit, eine neue Volksabstimmung auszuschreiben. Doch das kostete viel Geld und entsprach auch nicht den Gepflogenheiten. Die Zeitungen, die wußten, daß Petronius Bram einer der Anführer dieser Narretei war, brachten Schlagzeilen wie diese: „Männerkampf wird immer rabiater — Sohn bringt Mutter um den Arbeitsplatz“. Und darunter stand zu lesen: „Es ist eine bekannte Tatsache, daß Petronius Bram zu denen gehört, die in den letzten Jahren besonders aktiv für den Männerkampf in Egalsund eingetreten sind. Aus demselben Grund ließ er sich nicht zur Volksabstimmung aufstellen, hält sich vielmehr im Hintergrund und betätigt sich als Drahtzieher. Wird er jetzt seine eigene Mutter stürzen, um die Gleichstellung der Geschlechter durchzusetzen?“
Die Rundschau Blauer Dunst hatte bei Direktorin Bram angerufen, um sich über den Stand der Dinge zu informieren. Sie kriegte einen Wutanfall und schleuderte den Hörer zurück auf die Gabel. Und als es darauf noch einmal klingelte, hatte der Herr Direktor den Telefonhörer abgenommen und dem Anrufer freundlich mitgeteilt, die Direktorin sei nicht da. Am nächsten Tag brachte der Blaue Dunst eine fettgedruckte Schlagzeile auf der
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