Die Toechter Egalias
umgekehrt trifft das nicht zu. Die Sklaven sind nicht von ihrem Sklavenhalter abhängig, denn die Sklaven arbeiten viel und der Sklavenhalter wenig. Die Sklavenhalter sind die Schmarotzer der Gesellschaft, die Sklaven dagegen die eigentlichen Träger der Gesellschaft.
Damit die Leute diese Zusammenhänge nicht so schnell begreifen, wird eine Ideologie geschaffen, die genau das Gegenteil beweisen soll: Dem Sklaven wird vorgespiegelt, daß der Sklavenhalter unentbehrlich und der Sklave zu nichts imstande und unnütz sei. Solange die Sklaven das glauben, können die Sklavenhalter beruhigt sein. Wer wagt schon einen Aufstand gegen etwas zu unternehmen, was für seine Existenz unentbehrlich ist?!
Im Sklavenstaat Egalia machen deshalb die Frauen den Männern vor, sie seien zu nichts imstande und daher unnütz. ,Männer sind überflüssige Luxusgeschöpfe’, sagen die Frauen. Und als Beweis holen sie stets die gleiche — unbestreitbare und unbestrittene — Tatsache aus der Mottenkiste: Frauen gebären die Kinder. Es stimmt schon, Frauen haben, weil sie die Kinder gebären, eine unendliche Macht über uns.
Doch warum muß dieser Umstand immer gegen uns verwendet werden? Warum benutzen ihn die Frauen, um sich alle Macht in der Gesellschaft zu sichern?
Was geschähe, wenn wir mit unserem uns von der Natur verliehenen höchst überlegenen Stimmorgan brüllen würden: ,Es sind ja schließlich immer noch die Frauen, die die Kinder gebären! Da dürfen sie ja die Kinder wohl auch versorgen! Ihr könnt nicht beides: das Ei essen und zugleich das Küken haben wollen!’ Utopie?! Perverse Träume frustrierter Männer?
Vielleicht. Doch wenn wir uns eine andere als die gegenwärtige Gesellschaft erträumen, dann wird dam es immer pervers und frustriert nennen. Wir sind pervers und frustriert, weil ihr uns ständig pervertiert und frustriert.
Wir wollen uns nicht länger mit dieser unwibschlichen Behandlung des Mannes abfinden. Wir wollen es nicht länger hinnehmen, als Zuchttier betrachtet zu werden. Wir müssen eine Gesellschaft erreichen, in der alle als Wibschen anerkannt werden. Deshalb verbrennen wir das stärkste Symbol der Männerunterdrückung — den PH. Männersache ist Wibschensache!“
Petronius hatte seine Ansprache beendet. Die Rede wurde in mehreren Zeitungen abgedruckt, und der Blaue Dunst hatte in großer Aufmachung besonders herausgestellt, daß Direktorin Brams eigener Sohn ohne PH ans Rednerpult getreten war. Mehrere Journalisten suchten Rut Bram auf, weil sie sich von ihr eine Stellungsnahme zu den Vorfällen und vor allem eine Erklärung ihres Standpunktes zur Männerbewegung erhofft hatten. Aber Bram weigerte sich, mit ihnen darüber zu reden, weshalb der Blaue Dunst auf der zweiten Seite eine Riesenschlagzeile brachte: „Direktorin Bram schämt sich hinter verschlossenen Türen!“
Es verbreitete sich auch das Gerücht, daß der jüngste Sohn der Direktorin Bram, Klein-Mirabello, an der Demonstration mit einem kleinen Plakat „Wo ist die Mutter?“ teilgenommen hatte. Viele fanden es ärgerlich, daß schon kleine Kinder in derartige Machenschaften hineingezogen, beeinflußt und einer einseitigen Propaganda ausgesetzt wurden.
Im Anschluß an Petronius’ Rede hatten die fünfzig Männer ihre PHs auf den Scheiterhaufen mitten auf dem Platz geworfen und angezündet. Baldrian hatte seinen und Petronius’ PH auf einen Stock gespießt, ging nun zum Rednerpult und schleuderte ihn dort durch die Luft auf den Scheiterhaufen. Das wirkte imposant und grotesk zugleich. „Erschrek-kend“, meinten viele.
Danach zogen die Männer durch die Straßen hinauf zum Plattenberg, genauer zum Frauenklub „Freiheit“. Das war aber ein Trick. Offiziell hatten sie angegeben, der Demonstrationszug werde zur Nord-Brücke gehen und sich dort auflösen. Doch statt dessen zogen sie nach Norden. Als sie vor dem Klub ankamen, klingelten sie, und ehe sich’s die Hausmeisterin versah, waren sie über die weichen roten Teppiche hineingestürmt und hinauf in die Salons und die Bar. Dort hatten sie Platz genommen, Drinks und etwas zu essen bestellt und sich im übrigen so verhalten, als seien sie alte Stammgäste. Klein-Mirabello bat um Brause. Natürlich wurde ihnen die Bedienung verweigert, doch waren sie einfach sitzen geblieben, bis die mit Schlagstöcken bewaffneten Ordnungshüter eintrafen und die ungebetenen Gäste entfernten.
Am nächsten Tag druckte die Egalsunder Zeitung eine Erklärung der Mitglieder des
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