Die Tore Der Finsternis
treffen, die direkt zur Wache zurückführte.
»Was haben Sie jetzt vor?«, fragte er.
»Ich weiß nicht. Ich dachte, ich schau einfach mal, wie McCullough reagiert.«
»Das würde ich lieber nicht tun, Siobhan. Ich finde, Sie sollten erst noch ein bisschen weitergraben.«
»Warum?«
Rebus zuckte mit den Achseln. Was sollte er darauf antworten? Dass Jazz McCullough, dieser stille, sympathische Familienvater, womöglich in einen Mord und andere Verbrechen verstrickt war?
»Ich halte es einfach für sicherer.«
Sie sah ihn an. »Könnten Sie das vielleicht etwas näher erläutern?«
»Es ist nichts Konkretes - nur so ein Gefühl.«
»Und Ihr Gefühl sagt Ihnen, dass es riskant sein könnte, McCullough ein paar Fragen zu stellen?«
Rebus zuckte wieder mit den Achseln. Sie hatten das Ende der Gasse erreicht. Wenn man hier rechts abbog, steuerte man direkt auf die Rückseite der Wache zu.
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihr ›Gefühl‹ mit der Tatsache zusammenhängt, dass niemand mehr mit Ihnen redet?«
»Hören Sie, Siobhan...«, er fuhr sich mit der Hand übers
Gesicht, »…Sie wissen, dass ich so etwas nicht sagen würde, wenn ich es nicht für wichtig hielte.«
Sie dachte darüber nach und nickte dann. Als sie an der Wache vorbei zum Parkplatz gingen, blockierte ein Betrunkener den Bürgersteig. Siobhan wich auf die Straße aus, doch im nächsten Moment riss Rebus sie zurück. Ein Auto schoss laut hupend an ihnen vorbei. Da schien es jemand eilig zu haben.
»Danke«, sagte Siobhan.
»Stets zu Diensten«, erwiderte Rebus. Der Betrunkene, der offenbar auf die andere Straßenseite wollte, stolperte blindlings auf die Fahrbahn. Aber sie wussten, dass ihm nichts passieren würde. Denn er hatte eine Flasche in der Hand - kein Autofahrer würde wollen, dass sie ihm durch die Windschutzscheibe flog.
»Ich hab schon oft gedacht, dass jeder Fußgänger für solche Situationen einen Hammer dabei haben sollte«, sagte Siobhan, während sie dem Auto nachsah. Auf den Stufen zur Wache verabschiedete sie sich von Rebus und wartete, bis er durch die Tür hineinging. Sie hätte gern etwas gesagt, wie Machen Sie’s gut oder Passen Sie auf sich auf , aber es kam ihr nicht über die Lippen. Er nickte und lächelte: Er hatte es in ihrem Blick gesehen. Das Problem war nicht, dass er sich für unverwundbar hielt - im Gegenteil. Sie befürchtete eher, dass ihm der Gedanke seiner Fehlbarkeit nur allzu sehr gefiel. Er war auch nur ein Mensch, und wenn er zum Beweis dieser Tatsache Leid und Niederlagen ertragen musste, dann würde er das bereitwillig tun. Nannte man so etwas einen Märtyrerkomplex? Vielleicht sollte sie Andrea Thomson anrufen, um mit ihr über ihn zu reden. Aber Thomson würde bei einem Gespräch über sie reden wollen, und dazu war Siobhan noch nicht bereit. Sie dachte an Rebus und dessen Geister. Würde Laura Stafford sie zukünftig in ihren Träumen heimsuchen? War Laura vielleicht nur die Erste von vielen? Ihr Gesicht begann schon zu verblassen, die Konturen
verschwammen, und was blieb, war das Bild einer Hand am Türgriff ihres Autos.
Sie atmete tief durch. »Arbeit ist die beste Therapie«, sagte sie sich, öffnete die Tür zur Wache und schaute hinein. Rebus war nicht zu sehen. Sie trat ein, zeigte ihren Dienstausweis vor und stieg die Treppe zu den Räumen des CID hinauf. Ob Donny Dow immer noch unten in seiner Zelle saß? Wahrscheinlich hatte man ihn für die Zeit der U-Haft nach Saughton verlegt. Sie könnte sich trotzdem erkundigen, auch wenn sie bezweifelte, dass eine Begegnung mit ihm irgendeine Art von Exorzismus bewirken würde.
»Hallo, sind Sie das, Siobhan?« Siobhan fuhr zusammen. Der Mann, der sie angesprochen hatte, war aus einem der Büros gekommen. Er trug einen blauen Hefter unterm Arm. Sie setzte ein Lächeln auf.
»DI McCullough«, sagte sie. »Das trifft sich gut.« Ihr Lächeln wurde breiter. »Ich bin nämlich Ihretwegen hier.«
»Ach ja?«
»Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen.«
Er blickte den Flur entlang und wies dann mit einem Nicken auf den Raum, den er gerade verlassen hatte. »Da drin sind wir ungestört«, meinte er und beugte sich vor, um ihr die Tür aufzuhalten.
»Nach Ihnen«, sagte sie. Ihr Lächeln gefror. Das Büro sah aus, als würde es nur selten benutzt. Ein paar alte Schreibtische standen dort, Stühle, denen ein Bein fehlte, und Aktenschränke mit klemmenden Schubladen. Sie wollte die Tür erst offen lassen, aber dann fiel ihr Rebus ein. Sie
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