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Die Tore des Himmels

Die Tore des Himmels

Titel: Die Tore des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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alles doch nicht geträumt! Es ist wahr, wahr, wahr! Stolz lächelte ich vor mich hin. Ich war die Auserwählte des Landgrafenbruders! Alles würde gut werden.
    Das Armband wickelte ich in ein Stück Stoff und versteckte es ganz tief unten in meiner Kleidertruhe. Ich würde es erst bei meiner Hochzeit tragen.

Primus
    I nzwischen verdiene ich auf dem Bau mehr Geld, neun Pfennige in der Woche! In bin jetzt ja auch zwölf, und der niederländische Baumeister hat mich in der Zeit vor Ostern als Hüttendiener aufgenommen. Das war eine Freude daheim! Mutter hat von meinem ersten Lohn zwei frische Forellen vom Stadtfischer gekauft und ein schönes weißes Brot, wie es sonst nur die Reichen essen. Ei, gesottener Fisch in Essig und Zwiebeln, mit eingetunktem Brot, das war ein Schmaus! Nur das Hannolein hat sich an einer Gräte verschluckt und wär uns fast erstickt. Richtig blau war er schon. Der Michel und ich haben ihn dann an den Füßen hochgehalten und ihn so fest auf den Rücken gehauen, dass er den ganzen Bissen samt Gräte ausgespien hat.
    Als Hüttendiener bin ich jetzt die meiste Zeit bei den Zimmerleuten. Vorher hab ich noch bei den Maurern und Steinmetzen geholfen und auch manchmal beim Schmied. Ich kenne mich also überall auf dem Bau aus, mindestens genauso gut wie Lutprant, der nie vom Steineschleppen weggekommen ist. Von ihm hab ich gelernt, was ein Zweispitz ist, ein Klöpfel, ein Fäustel und ein Schlageisen. Gutes Werkzeug ist die halbe Arbeit, heißt es. Jeder Handwerker hat sein eigenes Werkzeug, das »Geschirr«, und er hütet es wie seinen Augapfel. Wir Hilfsleute haben keins, für uns gibt es schlechtes Zeug, das niemandem besonders gehört und von dem man sich einfach nehmen kann, was man braucht.
    Und noch mehr hab ich gelernt bei den Bauleuten. Zum Beispiel, dass 12  Daumen ein Fuß sind und zwei Fuß eine Elle. Dass man mit einem Galgenkran Lasten heben kann, die für zehn Männer zu schwer wären. Dass die Mauersteine mit dem Wolf hochgehoben werden und der Steinzange. Die greift wie zwei Finger in zwei vorgebohrte Löchlein, und wenn das Seil gestrafft wird, krallt sie sich fest. Dann kann man einen Stein mit dem Kran heben, so hoch man will.
    Das Bauhandwerk ist doch eine herrliche Sache! Man kann sich eigentlich gar nicht vorstellen, dass alles am Bau gelingt, weil doch so viele Menschen durcheinanderarbeiten. Überall Gerüste und Steinhaufen und Werkstätten. Überall Gewimmel und Lärm und Staub. Jeder macht seine Sache, und trotzdem passen alle Dinge zueinander und ineinander. Es ist wie ein Wunder. Wie gern würde ich ein solches Handwerk richtig lernen! Aber das geht nicht, sagt die Mutter, weil die Zünfte lassen nur Lehrlinge zu, die von ehrlicher Geburt sind. Und mein Eintrag im Kirchenbuch von Stregda lautet: Vater unbekannt. Mutter Mechthild, geboren zu Salza, nicht im ehelichen Stand. So oder so ähnlich. Das ist gemein. Kann ich vielleicht was dafür?
     
    Den ganzen Sommer über arbeite ich hart. In der Wohnburg gibt’s seit ein paar Wochen nichts mehr zu tun, darum bin ich jetzt bei den Maurern, die das Vorwerk verstärken, und verdiene wieder weniger. Zwischen zwei Mauerschalen aus Quadern kommt eine Füllung aus Bruchsteinen, das gibt eine feine, dicke Mauer. Und die Bruchsteine, die schleppe ich. Immer, wenn ich mich wegstehlen kann, flitze ich in den inneren Burghof und halte Ausschau nach meinem Engel Gislind. Ich weiß jetzt die Zeiten, wann sie in den Garten geht, und warte dann an der Ecke vom Bergfried auf sie. Dann kommt sie auf mich zu, begrüßt mich und lässt mich das Hündchen mit dem verrückten Namen streicheln. Und sie schickt mich dann immer in die Küche, wo ich was zu essen kriege. Die Dunkle, ich meine die Landgräfin, ist auch meistens dabei, sie kennt mich jetzt auch schon und winkt mir oft vom Fenster aus zu. Ich hab das alles schon oft daheim erzählt, aber die glauben mir nicht. »Ja, ja, die Landgräfin«, grinst Michel und winkt ab. »Klar!«
    Und Mutter schimpft: »Ach Primus, du weißt doch, was der Pfarrer sagt: Lügen haben kurze Beine.«
    Also hab ich’s aufgegeben. Sollen die doch glauben, was sie wollen.
     
    Und dann ist es plötzlich aus mit meinem Glück. Ja, ich weiß, ich bin selber daran schuld. An Michaeli haben sie uns gesagt, dass es bald vorbei ist mit dem Bau, weil der Winter kommt. Und da hab ich mir vorgenommen, einen ordentlichen Dielenboden in unseren nassen Keller zu legen, damit wir im Winter nicht dauernd im Schlamm stehen

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