Die Tore zur Unterwelt 1 - Das Buch des Dämons: Roman (German Edition)
auf diese Fibel legen zu können, was dann? Wie sollten sie entkommen? Und selbst wenn sie überlebten, entkamen und gänzlich ausbezahlt würden, wie lange würde es dauern, bis er wieder in die Lage geriet, in der es sehr wahrscheinlich war, dass man ihm den Kopf abbiss?
Vernünftig wäre es, sagte er sich, sofort umzukehren, ein Handelsschiff zu suchen und damit zurück unter anständige Halsabschneider zu segeln.
»Das wäre vernünftig«, murmelte er sich leise vor sich hin. »Wirklich.«
Er wusste, dass die Fibel vermutlich neben einer Kreatur lag, der er nicht zu begegnen wünschte. Aber noch größer war die Wahrscheinlichkeit, dass die Dinge, die er nicht finden wollte, sich in den Schatten verbargen, die selbst die vernünftigsten Männer in Feiglinge verwandelten.
Und, rief er sich ins Gedächtnis, als er sich seufzend aufmachte, seinen Gefährten zu folgen, er war ein vernünftiger Mann.
»Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals von Göttern geliebt worden zu sein.«
Das Froschwesen beendete seinen Satz, indem es nachdrücklich seinen Stab auf die Steine hämmerte. Die Knochen, die daran befestigt waren, klapperten gegen den elfenbeinfarbenen Schaft. Dutzende von bleichen Gesichtern sahen ehrfurchtsvoll zu der Kreatur hoch. In ihren schwarzen Augen reflektierte das Licht der Fackeln, die mit smaragdgrüner Flamme brannten.
Dutzende von Gesichtern, dachte das Froschwesen, ohne Narben, ohne Geburtsmale, ohne Überbiss, Unterbiss, Deformationen oder Haarfarben. So viele Gesichter, alle von demselben bleichen Strahlen erfüllt, mit Mündern, die alle in derselben Ehrfurcht geschlossen sind, mit den gleichen schwarzen Augen, die zu mir hochblicken und stumm darum flehen, dass die Predigt weitergeht.
Das Froschwesen erhörte ihr Flehen.
»Ich kann mich an keinen Tag ohne Leiden erinnern«, sagte es. Seine Stimme hallte von den riesigen Wänden der Kammer wider. »Und ich kann mich nicht an einen Tag erinnern, an dem mein Leiden einem anderen Zweck gedient hätte als der Belustigung derer, die ich einst für perfekte und reine Wesen gehalten hatte.«
Die Gesichter der Lauschenden waren jetzt gespannt. Das Froschwesen fletschte knurrend die Zähne.
»Und ich will mich nicht daran erinnern!«
Bei diesen Worten nickten alle gleichzeitig und zischten durch ihre spitzen Zähne.
»Woran ich mich jedoch erinnere«, fauchte es, »sind meine täglichen Gebete an den Ufern, zu einer falschen Mutter, auf dass sie mir Nahrung spende. Woran ich mich erinnere, ist der Hunger. Woran ich mich erinnere, sind jene, die ich einst meine Familie nannte und die aufgesogen wurden, sind die Wellen, die mich verspotteten. Ich erinnere mich.« Es senkte seinen Stab über die Versammelten. »Und so erinnert auch ihr euch.«
»Erinnerung ist unser Fluch!«, antworteten sie im Chor und senkten die Köpfe. »Möge die Abgründige Mutter uns für immer befreien.«
»Ich hielt damals das Meer für böse und grausam«, fuhr das Froschwesen fort. »Aber da hörte ich Ihr Lied.« Es legte den Kopf in den Nacken und schloss die Augen. »Ich erinnere mich daran, wie Sie mich rief, zu mir sang. Ich erinnere mich, wie Sie mir versicherte, dass mein Leben kostbar wäre, wertvoll, und nur mein Körper schwach. Ich erinnere mich daran, wie Sie mich hierher führte, mir Ihre Gaben gewährte, die Fähigkeit, das Wasser zu atmen, unter den Wellen zu tanzen«, seine Miene wurde starr, »zu vergessen … Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Götter zu mir sprachen.«
Es senkte den Kopf und betrachtete die Versammelten. »Ich erinnere mich daran, dass sie mir meinen Wohlstand nahmen und anderen ihren Wohlstand vorenthielten.« Es lächelte, strahlend und mit spitzen Zähnen. »Und so bat die Abgründige Mutter mich, ihre Lügen zu zerschmettern, indem ich all diese da bat, zu kommen, mittellos und allein, furchtsam und hintergangen, voll schmerzlicher Erinnerungen. Sie bat diese da zurückzukehren und die Lügen, die man denen da erzählt hatte, zu vergessen. Sie gab diesen da all ihre Gaben und verlangte dafür nur eine einzige Gegenleistung.«
Die Gesichter strahlten, als sie das Lächeln des Froschwesens reflektierten.
»Sie bat darum«, sangen sie monoton, »dass diese hier den Hirten helfen, wie die Hirten diesen hier helfen.«
Sie sprachen in einem Singsang, und ihre Stimmen hallten durch das Wasser, welches die Steine überflutet hatte, hallten von jenen wenigen Steinen zurück, die das Wasser verschont hatte, und ihre
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