Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
anspannte, wie die Shict den Kakerlakenschenkel mit ihren zitternden Fingern packte und lächelte.
Sie lächelte.
Sie lächelte so lange, bis die Gohmnkeule sie mit einer solchen Wucht ins Gesicht traf, dass ihr Kopf zur Seite flog.
»Wa... was?« Sie erholte sich von dem Schlag, während sie erstaunt die Hand auf ihre schmerzende Wange legte. »Ich wollte nicht sagen ...«
»Tue ich nicht.«
Das Bein zischte erneut durch die Luft und traf ihre Seite mit weit mehr Wucht, als ein Kakerlakenschenkel eigentlich aufbringen sollte.
»Also gut, du tust es nicht, aber ...«
»Tue ich nicht.«
Wieder schlug das Bein zu und traf diesmal ihren Ellbogen. Es zerbrach und hinterließ eine rote Stelle auf Aspers Haut, die von der Panade überdeckt wurde. Sie hatte nicht einmal Zeit, eine Antwort zu formulieren, als Kataria auch schon herumwirbelte und die Reste des Kakerlakenbeins auf sie schleuderte.
»Tue ich nicht.«
Sie sprang zu, packte Aspers Schultern und schleuderte sie auf den Boden. In ihrer Miene zeigten sich weder Wut noch Trauer oder Tränen. Etwas Kaltes, Versteinertes hockte über Asper, ein Gesicht so hart wie die Faust, die krachend auf ihrer Wange landete.
»Tue ich nicht, tue ich nicht, tue ich nicht, tue ich nicht, tue ich nicht, tue ich nicht ...«
Asper protestierte nicht, stritt nichts ab. Sie wehrte sich nur schwach, hob die Hände, um ihr Gesicht zu schützen, allerdings vergeblich, als die Shict blindlings zuschlug, immer und immer wieder, einmal für jedes Wort, jeder Faustschlag eine Bestätigung, jeder blaue Fleck, den er hinterließ, eine Realität.
Dann hörte es plötzlich auf, ohne Häme, ohne Grund, sogar ohne ein Geräusch. Asper hörte, wie die Shict flüchtete, hörte sie mit der Verzweiflung von jemandem davonlaufen, der um sein Leben rennt.
Schließlich verstummten die Geräusche. Die Bäume flüsterten, als die Sonne langsam hinter ihnen unterging. In der Ferne, aus Richtung des Dorfes, drang Jubelgeschrei von der Feier herüber. Das Abschiedsfest begann.
Asper war klar, dass sie aufstehen und hingehen sollte. Sie sollte sich erheben, obwohl ihr Körper von Schmerzen geschüttelt wurde. Sie sollte gehen, obwohl sich ihre Beine tot und nutzlos anfühlten. Sie sollte zu den anderen gehen, um sie zu sehen, obwohl ihre Augen tränenüberströmt waren. Sie sollte sie sehen, all diejenigen, die sie geschlagen hatten, sie belogen hatten, ihren Glauben geschmäht hatten und versucht hatten, sie zu erwürgen.
Das sollte sie.
Nur konnte sie sich einfach nicht vorstellen, warum.
DRITTER AKT
KNOCHENTANZ
Das Aeonstor
Insel Teji
Herbst, vielleicht Frühherbst ...
Ich erinnere mich kaum an meinen Großvater. Und an meinen Vater noch weniger. Er war ein Bauer, ein ruhiger Mann, hat immer den Zehnten entrichtet. Und obwohl sich mein Erinnerungsvermögen hier auf Teji verbessert hat, fällt mir nicht mehr zu ihm ein.
Obwohl, so ganz stimmt das nicht. Ich erinnere mich an etwas, was er einmal zu mir gesagt hat.
»Es gibt zwei Arten Männer auf dieser Welt: diejenigen, die mit dem Krieg leben und diejenigen, die nicht ohne ihn leben können. Wir können ohne ihn leben. Wir können sehr lange leben.«
Ich erinnere mich, dass er in einem Feuer starb.
Ich hatte immer glauben wollen, dass ich ohne Krieg leben könnte. Selbst nachdem ich das Schwert meines Großvaters aufgenommen habe, habe ich mir eine Zeit vorgestellt, in der ich es wieder weglegen konnte. Ich hatte immer behaupten wollen, dass dieser Teil meines Lebens nur notwendig war, um zu überleben, nichts weiter. Ich wollte ebenfalls irgendwann meinen Kindern sagen können, dass wir ohne Krieg leben konnten.
Ich wollte Kinder.
In den letzten Tagen war ich sicher, dass ich auch welche haben würde und ihnen genau das sagen könnte.
Vielleicht habe ich mich geirrt. Vielleicht hat mein Vater sich auch geirrt.
Ich habe es versucht. Ich habe es wirklich versucht. Khetashe weiß, wie sehr, wie ich versucht habe, nicht an mein verschwundenes Schwert oder die Fibel oder an das Leben zu denken, das ich auf dem Grund des Meeres zurückgelassen hatte. Ich versuchte, das »Normale« zu tun, ein Mann zu sein, der nicht vom Tod besessen ist ... von seinem oder dem eines anderen.
Es ist schwieriger, als ich gedacht habe.
Überall auf Teji liegen Knochen herum. Ich kann keinen Schritt außerhalb des Dorfes tun, ohne mit meinem Zeh in dem bleichen Totenschädel von irgendjemandem stecken zu bleiben. Der Gestank nach Tod ist
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