Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
zu sagen; Worte waren unbedeutend. Außerdem wusste er, dass die Stimme nicht mit Worten hätte überzeugen können. Ihm war klar, dass er sie nicht belügen konnte. Oder eines Irrtums überführen. Das wusste er, ohne es wirklich zu wissen.
Er wusste es, weil die Stimme es wusste.
Und die Stimme seufzte, jedenfalls schien es so, denn auch sie wusste etwas über ihn.
»Sie ist nicht tot.«
»Nicht?«
»Du brauchst sie nicht.«
»Ich muss dafür sorgen, dass sie ...
»Das wird sie.«
»Woher weißt du ... ?«
»BRINGT IHN HER!«
Der Sand schien zu beben, als Schritte ertönten; Denaos leistete keinen Widerstand, als zwei Niederlinge ihn grob unter den Achseln packten, ihn hochrissen und zu Xhai schleppten.
Und zu ihren Abschaumstampfern.
Sie hatte sicher noch Füße; jedenfalls vermutete er das. Die metallischen Gegenstände, die sie um ihre Knöchel geschnallt hatte, waren offenbar sehr sorgfältig so geschmiedet, dass sie nur noch entfernt Stiefeln glichen. Sie schienen dafür gemacht zu sein, damit aus der Hölle kriechen zu können. Sie waren dicht an dicht mit groben, spitzen Stacheln gespickt.
Lenk sah es und riss die Augen auf. Dreadaeleon sah sie und hätte fast gequiekt. Denaos sah sie zweifellos ebenfalls, sagte oder tat aber nichts.
Die Stimme beantwortete die Frage, bevor er sie stellen konnte, langsam und leise. »Er hat Frieden geschlossen. Er weiß um seine Sünden und hat für sie getan, was er konnte. Sein Leben ist erfüllt.«
»Ist es nicht«, flüsterte Lenk. »Oder doch?«
»Seine Pflicht besteht darin, das Unausweichliche zu akzeptieren. « Die Stimme sprach schnell und entschlossen. »Unsere Pflicht unterscheidet sich durch nichts darin.«
»Du redest Unsinn.« Lenks Augenlider zuckten. »Du sagst erst das eine, dann das andere, du widersprichst dir, und ich weiß nicht, worauf ich hören soll.« Er schluckte und knirschte mit den Zähnen, weil er fast Angst hatte, die Frage zu stellen, die ihn umtrieb. »Bist du ... bist du allein da drin?
»Das sind wir nicht.«
»Du meinst mit ›wir‹ mich und dich oder ...?«
Ein gequältes Stöhnen lenkte seine Aufmerksamkeit ab.
Die Niederlinge ließen Denaos vor Xhai fallen. Er sank auf die Knie und blickte leidenschaftslos zu der Frau hoch. Sie starrte grausam und verächtlich auf ihn herab und versuchte die Wut zu zügeln, die hinter ihrer Fratze tobte.
»Warum schreist du nicht?«, erkundigte sie sich.
»Weil ich keinen Grund habe.«
»Ich werde dich töten.«
»Ich habe schon Schlimmeres erlebt.«
»Ich werde dich in den Boden stampfen, deine Knochen zu Gelatine zermalmen, die Gelatine zu Brei zermatschen, und auf dem Brei herumtrampeln, bis nichts mehr davon übrig ist. Ich werde dich auf der Erde verteilen und auf deinen Eingeweiden herumtanzen.«
Er hob den Kopf und grinste sie an.
»Und ich habe dich gebrandmarkt.«
Sie kreischte und hob ihren Fuß; die Stacheln glänzten im Mondlicht.
Weiter kam sie nicht.
Etwas geschah: Der Wind veränderte sich, die Wellen legten sich, ein Dutzend purpurne Gesichter zuckten gleichzeitig. Plötzlich rollten die milchig weißen Augen in ihren Höhlen; die Wut, die die Niederlinge erfüllte, schien aus ihren offenen Mündern zu sickern, als sie sich zum Ozean herumdrehten. Eine seltsame Friedfertigkeit überkam sie, als wären sie ein Rudel von purpurnen Hündinnen, die Fleisch witterten und erwartungsvoll hechelten, auf dass es ihre kläffenden Mäuler stopfte.
»Kommt «, flüsterte die Stimme.
»Sie?«
»Er .«
»Er kommt immer so«, flüsterte Togu von seinem Hochsitz aus. »Die Welt weiß, wann er kommt. Das Meer weiß es zuerst. Der Himmel weiß es als Nächstes, weil das Meer ruhig wird. Wir wissen es zuletzt, weil die Nacht zu dunkel ist und die Welt ruhig. Sie will ihn nicht sehen. Nichts Gutes will ihn sehen.«
Er sprang von dem Knochen herunter und warf einen Blick auf Lenk. Seine riesigen Augen waren so fest zusammengezogen, dass sie nur noch Platz für Furcht ließen.
»Sieh ihm nicht in die Augen, Vetter. Du willst ihn auch nicht sehen, ganz sicher nicht.«
Die Niederlinge machten Platz am Strand, teilten sich, als würde ein Wind sie dazu auffordern, den niemand fühlen konnte. Sie zogen Denaos mit sich. Derselbe Wind schien weiterzuwehen, über Lenks Haut, und ließ ihn frösteln.
»Ich kann es fühlen, Lenk«, sagte Dreadaeleon atemlos. »Eine Macht... stetig ... falsch. Sie hat kein Ende. Sie sollte ein Ende haben. Sie muss ein Ende haben.« Er verzog
Weitere Kostenlose Bücher