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Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)

Titel: Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Sykes
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deren Salzgehalt höher als der des Ozeans zu sein schien. »Was hätte ich denn tun sollen?« Er schrie fast.
    Keine Flüche antworteten ihm, kein Weinen, kein Wehklagen, kein Flüstern. Sie starrte ihn einfach nur an. Er machte einen Schritt nach vorn.
    »Bitte, sprich mit mir ...«
    Er stieß mit seinem Fuß gegen etwas Weiches. Das Geräusch hallte laut in diese Verschwörung des Schweigens. Er blickte nach unten und erbleichte.
    Als besäße es einen besonders morbiden Sinn für Humor, riss das weiße Tuch aus Nebel auf und gab den Blick auf ein Gesicht frei, das im Todeskampf verzerrt war. Schwarze Augen glitzerten in einem bleichen, knochigen und blutleeren Gesicht, das ihn anstarrte; der Mund mit den nadelspitzen Zähnen war zu einem stummen Schrei aufgerissen, ebenso weit klaffend wie die Wunde auf einer haarlosen Brust.
    Er erkannte es. Es war ein Froschwesen, ein Lakai dieser grässlichen Abysmyths. Es war tot, und es war nicht das einzige. Andere Silhouetten hoben sich schwarz in dem Nebel ab, Leichen, welche Speere in ihren Brustkörben umklammerten oder die mit Schwimmhäuten versehenen Hände auf Wunden in ihren Bäuchen gepresst hatten.
    Neben ihnen sah er Langgesichter, Niederlinge, ihre Visagen
ebenfalls in Todesqualen verzerrt. Ihre purpurne Haut war rot gefleckt, ihre Waffen und ihre Rüstungen waren blutüberströmt und von der Schlacht gezeichnet, die offenbar zwischen ihnen und ihren bleichen, haarlosen Feinden getobt hatte.
    Doch etwas an der Szenerie dieses Gemetzels war unheimlich, abgesehen von dem Tod und der Verwesung, die den Nebel durchsetzte. Die Niederlinge waren tot, aber sie waren nicht an den Wunden gestorben, die ihnen von den Knochenspeeren und Klingen in den Fäusten der Froschwesen zugefügt worden waren. Die Verletzungen sämtlicher Toten waren gleichgeartet: Jede tödliche Wunde war ein großer, gezackter Schnitt, aus dem erst vor wenigen Stunden das letzte Blut gesickert war. Und sämtliche Verletzungen waren von derselben Waffe verursacht worden.
    Die Froschwesen hatten nicht eine einzige Niederling getötet.
    Aber was, dachte er und kniff nachdenklich die Augen zusammen, hätte die Niederlinge veranlassen können, sich gegenseitig zu massakrieren?
    »Das ist die Art, wie die Ungläubigen sich selbst von ihren Sünden reinigen«, antwortete eine tiefe, gurgelnde Stimme aus nächster Nähe. »Mit Blut.«
    Denaos wirbelte herum, den Dolch in der Faust. Das Abysmyth starrte aus zweieinhalb Metern Höhe auf ihn herab. Seine Augen waren riesige, ausdruckslose weiße Scheiben. Das Maul des Fischkopfs war aufgerissen, und es atmete keuchend durch seine scharfen, spitzen Zähne. Sein riesiger Körper, ein Skelett in eine Haut aus Schatten gehüllt, stand aufrecht, und die Arme mit den vier Gelenken hingen bis zu seinen knochigen Knien herunter.
    Aber diese Arme griffen nicht nach ihm. Die Beine bewegten sich nicht. Es starrte ihn an, mehr nicht.
    Möglicherweise hatte der wuchtige Metallkeil, der in seiner Brust steckte und es an die Wand nagelte, etwas damit zu tun.
    Denaos warf einen Blick zurück in den Hof. Sie war verschwunden. Er war allein.
    Jedenfalls fast.
    »Im Angesicht der Sermonika wurden die Langgesichter damit konfrontiert«, krächzte das Abysmyth. »Von der Sermonika wurden ihnen ihre eigenen Sünden der Ungläubigkeit vor Augen geführt. Sie sprach zu ihnen an den dunklen Orten, wo sie sich nicht vor ihrem Licht verbergen konnten. Sie sprach zu ihnen und gewährte ihnen Erlösung.«
    Das Abysmyth hob einen seiner langen Arme. In seiner mit Schwimmhäuten versehenen Klaue hing der Leichnam eines Langgesichts. Der Schleim überzog ein Gesicht, das in dem Griff des Abysmyth erstickt war.
    »Ihr habt also gegen die Niederlinge gekämpft«, flüsterte Denaos. Sein Blick fiel auf die Waffe, die in der Brust der Monstrosität steckte. »Sieht nicht so aus, als wäre es für dich gut ausgegangen.«
    »Die Gläubigen empfinden niemals Freude am Abschlachten der Lämmer«, gurgelte das Abysmyth. »Unsere feierliche Aufgabe war es, den Langgesichtern hierherzufolgen, ihre neugierigen Augen zu blenden und ihre blasphemischen Fragen zum Schweigen zu bringen.«
    »Sie haben nach etwas gesucht?«
    »Es liegt in der Natur der Ungläubigen zu suchen. Sie verlangen von allen Antworten, außer von Ihr, die Sie ihnen geben könnte. In der Abgründigen Mutter liegt die Erlösung, Kind.« Die Kreatur streckte ihren anderen Arm aus, der für Denaos’ Empfinden viel zu lang war.

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