Die Tore zur Unterwelt 2 - Dunkler Ruhm: Roman (German Edition)
Vorwurf schwang darin mit, keine Bosheit, nichts anderes als echte Neugier.
»Wirklich?«
Sie erstarrte und drehte sich so langsam herum, dass sie ihre Wirbel knacken hörte.
»Was ... was hast du gerade gesagt?«
»Du fängst das nicht richtig an, weißt du?«, antwortete er und zuckte mit den Schultern.
»Du kannst unmöglich ...«
»Ich kann«, unterbrach er sie. »Und ich kann dir auch sagen, dass noch mehr Leichen, ihre oder deine, deine Ohren nicht spitzer machen werden.«
»Das soll ich mir jetzt also anhören?« Es war sehr unklug, ihn so böse anzufauchen, herausfordernd die Zähne zu fletschen, aber es war ihr egal. Denn ebenso unklug war es auch, den Tränen zu erlauben, sich in ihren Augenwinkeln zu bilden, aber sie konnte nichts dagegen tun. »Erwartest du von mir zu glauben, dass ausgerechnet du denkst, Gewalt wäre keine Lösung?«
»Ich erwarte eigentlich nicht viel mehr von dir, als dass du stirbst«, antwortete er mit einer Gelassenheit, die nicht zu ihm passte. »Und jemand anders erwartet, dass du es in einer Art und Weise tust, die etwas zu bedeuten hat.« Er blinzelte und sah dann ungläubig auf die leere Stelle neben sich. »Wirklich? Wie kommst du darauf?«
»Wer...?«
»Stimmt.« Er nickte einmal und richtete seinen Blick wieder auf sie. »Aber darum geht es nicht, da sind wir uns einig. Ganz gleich, wer stirbt, du bist trotzdem, was du bist.«
Geh jetzt, sagte sie sich. Lauf, wenn es sein muss. Er hat jetzt offenbar vollkommen den Verstand verloren, und dabei war er schon von Anfang an nicht ganz richtig im Kopf. Geh. Lauf!
Ein kluger Rat. Sie hätte ihre Füße verfluchen sollen, die wie angewurzelt am Boden klebten, ihre Augen, deren Blick auf seine gerichtet blieb. Sie hätte irgendetwas tun sollen,
statt ihm zu antworten. Aber sie konnte nicht anders, ebenso wenig wie sie die aufrichtige Neugier in ihrer Stimme unterdrücken konnte.
»Was bin ich denn?«
»Naja, mich interessiert das ja nicht«, antwortete er scharf. »Aber was auch immer du bist, und was auch immer du vorhast, wird nicht funktionieren.«
»Du hast keine Ahnung, was ich vorhabe oder was ich tun muss.«
»Du weißt überhaupt nicht, was du tun musst. Ist das nicht der Grund dafür, dass du so ein jammernder Schwachkopf bist?« Er beugte sich vor; sein starrer Blick wurde noch eindringlicher und trieb sie unwillkürlich einen Schritt zurück. »Was passiert, wenn du es tust? Wenn du Lenk tötest? Deine Gedanken werden deshalb trotzdem keine Ruhe geben.«
»Was soll ich denn tun?« Es kümmerte sie längst nicht mehr, woher er ihre Pläne kannte, ob sie ihre Zähne fletschte oder ihre Tränen versteckte. »Was sagt dir dein Wahnsinn da? Ich denke mit Logik und klarem Verstand, und ich kann zu keiner anderen Schlussfolgerung kommen. Es muss passieren. Er muss sterben.«
Seine Miene veränderte sich nicht. Die Starrheit seines Blickes schien sich über seinen ganzen Körper auszubreiten. Sein Schweif pendelte nicht mehr hin und her, und seine Klauen hörten auf zu zucken. Er starrte sie wortlos an, denn er hatte ihr nichts mehr zu sagen.
Ebenso wenig wie sie ihm. Er mochte vielleicht unter einem heiteren Wahnsinn leiden, aber es blieb trotzdem Wahnsinn. Und sie wusste immer noch, was sie tun musste.
Sie drehte sich diesmal rasch herum und wollte zum Fluss zurückgehen. Aber sie hatte noch nicht einmal die Fußsohle von dem Stein gehoben, als sie sein Grollen hörte.
»Da, siehst du? Ich sagte doch, dass sie nichts darauf geben wird.«
Sie hörte, wie er aufstand, hörte das Rauschen von Schwingen,
Klauen, die sich streckten, lederne Lippen, die knarrten, als er sie wütend verzog.
»Jetzt machen wir es auf meine Art.«
Im nächsten Moment verdunkelte sich die Sonne hinter ihr, wurde von einem Schatten erstickt, der wie eine dunkle Blume über ihr erblühte. Sie überlegte nicht lange, was es bedeutete, sondern reagierte instinktiv und sprang zurück.
Er war Gariath. Er wusste nicht, warum er es tat. Gründe waren etwas für Schwächlinge.
Der Boden bebte, als er dort landete, wo sie eben noch gestanden hatte. Seine Klauen schlugen Furchen in den felsigen Boden, und seine Schwingen wirbelten eine Wolke mit Granitsplittern angereicherten Staubes auf. Kataria fuhr herum und kniff die Augen zusammen, um sie vor den scharfen Splittern zu schützen, als er sich zu ihr umdrehte. Seine Augen glühten hell.
Sie war nicht überrascht; diese unerwarteten und irrationalen Gewaltausbrüche passten einfach zu
Weitere Kostenlose Bücher