Die Tore zur Unterwelt 3 - Verräterische Freunde: Roman (German Edition)
starrte ihn einfach nur an.
»Dann hör einfach zu.«
»Das kann ich nicht. Welche Rituale ich auch für dich hätte vollziehen können, ich wollte es für Denaos tun. Du jedoch bist nicht Denaos. Und ich weiß nicht, wer du bist.«
»Das macht nichts.«
»Du bist ein Mörder.«
»Stimmt.«
»Du hast sie alle ermordet.«
»Stimmt.«
»Du hast sie ermordet. Du hast die Hundeherrin ermordet. Du hast sie alle ermordet.«
»Es war nicht die Hundeherrin.« Jetzt sah er sie an. Er starrte nicht mehr in den Himmel oder auf irgendwelche Geister der Vergangenheit. »Ihr Name war Imone.« Er lächelte kurz. »Sie war meine Gemahlin.«
Sein Lächeln erlosch langsam und verschwand. Als seine Lippen erschlafften, lag kein Friede auf ihnen, keine Ruhe zeigte sich in seinem Blick, als seine Augen sich trübten. Alle Sünden, die er mit sich herumgetragen hatte, nahm er mit, als er selbst langsam erlosch.
Aber noch nicht ganz.
Er atmete mühsam, und in seinen Augen glomm kaum noch Licht. Wo auch immer er war, er war weder im Himmel noch in der Hölle noch auf der Erde, sondern an einem Ort irgendwo dazwischen.
Langsam, fast unabsichtlich tastete ihre linke Hand nach seinem Hals. Ihre Finger zitterten, waren nicht willens, die Macht freizulassen, die hinter ihnen lauerte. Das war keine Gnade. Diejenigen, die zuvor ihre Berührung gespürt hatten, hatten den Schmerz gefühlt so wie sie, hatten gespürt, wie das, was sich in ihrem Arm befand, sie zerstört hatte. Aber er würde nicht mehr so lange aushalten. Ein kurzer Moment des Schmerzes, dann würde sie ihn auf den Weg schicken. Vielleicht war es doch eine Gnade. Vielleicht aber auch eine Qual.
Aber er hatte es verdient. Eine schnelle Beichte, und alles sollte vergeben sein? Als hätte er es nie getan? Nein. Der Teil in ihr, der gesehen hatte, dass nur drei Menschen ihren Tempel verlassen hatten und Hunderte zurückblieben, die begraben werden mussten, wollte es. Ein Teil von ihr wollte, dass er für seine Verbrechen litt. Und dieser Teil von ihr strich mit den Fingerspitzen über seine Kehle.
»Er kann keine Erlösung finden.«
Die Stimme klang wie Papier, das verbrennt. Asche, die nicht vom Wind bewegt wird. Staub, der in Lichtstrahlen fällt. Sie warf einen Blick über die Schulter. Der Papiermann starrte sie mit seinen schwarzen Augen an. Er war viel zu lebendig.
»Fühlst du nichts in deinem Arm, kleine Kreatur?«
Er klang fast amüsiert.
Sie schüttelte den Kopf.
»Er kann es nicht bewirken.«
»Wer?«
»Er hat keinen Namen. Ihm wurde niemals einer gegeben, bis er dorthin ging.«
»Wohin?«
»Unter die Haut. In die Knochen. Er hat mit mir geredet, als er mich spürte. Was für eine glückliche Stimme. So begierig darauf, mit jemandem zu sprechen, der ihn hören konnte.« Die Kreatur sprach langsam, im Rhythmus des Atems. »Dort ist er blind. Und hier bist du taub. Er kann dich nur hören. Er kann nicht mit dir sprechen.«
»Er … ist es wie du? Dieses Ding in meinem Arm?«
»Aber er war ganz nah. Ich konnte ihn hören. Und er war jung. Er wusste nichts von dem Krieg. Er war so lange im Körper eingesperrt. Wie erfrischend. Er wollte mich kennenlernen, wollte alles über die Statue wissen, wollte meinen Namen erfahren.«
»Er hat … nach etwas gesucht. Vorher. Ich konnte es hören.«
»Nach mir. Ich konnte ihn hören. Aber ich konnte nicht mit ihm sprechen. Dort ist er taub. Er kennt nur dich, deine Stimme, deine Ängste, deine Schmerzen. Er hat da drin Angst bekommen, hat versucht zu entkommen.«
»Warum tut er es denn jetzt nicht? Warum tötet er ihn nicht?«, wollte sie wissen und hob Denaos etwas an.
»Weil du nicht wirklich willst, dass er stirbt.«
Sie sah auf Denaos herab, der auszulaufen schien wie ein leckes Gefäß.
»Er verdient es.«
»Wenn du träumst, siehst du dann eine Welt, in der jeder bekommt, was er verdient?«
Sie blickte wieder von dem Papiermann zu Denaos. Der Assassine schnappte kurz nach Luft und atmete nicht wieder aus.
»Was … was soll ich tun?«
»Du redest. Er hört zu. Er kann nichts anderes hören.«
Irgendwo in weiter Ferne ertönte ein Krachen in den Trümmern. Dann herrschte wieder diese hallende Ruhe, und das große, leere Blatt wartete auf die letzten Worte, die darauf geschrieben werden sollten. Sie presste ihre linke Hand auf Denaos’ Gesicht.
»Nicht so. Er glaubt dir nicht.«
Ihre rechte Hand zitterte. Sie schloss die Augen, ließ die Hand auf seinen Körper sinken, unter sein Wams auf die
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