Die Tortenbäckerin
Stück geräucherten Aal.
»Und eine Orange!«, rief Harry aus, der sich als Letzter kaum trennen konnte. »Ich bringe dir eine duftende, süÃe Orange aus Afrika mit.«
»Aber du darfst nicht stehlen«, mahnte Leni streng.»Stehlen tun nur die dummen Leute. Das hat mir Greta erklärt.«
Daraufhin verschwand Harry wie der Blitz aus dem Keller. Oliver lauschte noch dem Klang der Holzpantinen auf dem Hof, bevor er sich zu Leni umwandte.
»Hast du Hunger? Ich habe zwei Brote für dich. Eines mit Leberwurst und eines mit Speck.«
Falls das überhaupt möglich war, so strahlte Lenis Gesicht jetzt noch mehr. »Ja, bitte. Ich glaube, ich habe ziemlich lange nichts mehr gegessen.«
Langsam, unendlich langsam kaute sie am Leberwurstbrot und trank zwischendurch immer wieder einen Schluck Wasser. Das zweite Brot wollte sie aber nicht anrühren, so sehr ihr Oliver auch zuredete.
»Ich bin jetzt wirklich ganz satt«, beteuerte sie. »Und das Brot kann ich doch auch heute Abend essen.«
Er wollte ihr sagen, dass er bis zum Abend bestimmt etwas anderes bringen konnte, aber dann schwieg er. Vielleicht war Leni ja klüger als er. Vielleicht ahnte sie, dass auch mal was passieren konnte und er dann nicht zu ihr kam.
»Möchtest du dich ein wenig hinlegen?«, fragte er sie, als er sah, wie sie gähnte.
»Das wäre wunderbar. WeiÃt du, letzte Nacht ⦠Ich glaube, ich habe nicht viel geschlafen.«
»Das holst du jetzt nach«, beschloss Oliver. Zuvor führte er Leni in einen angrenzenden winzigen Keller, wo er mit zwei Eimern einen behelfsmäÃigen Abort geschaffen hatte.
»Du hast ja wirklich an alles gedacht«, sagte sie begeistert.
Dann legte sie sich in ihr Bett und war im nächsten Moment eingeschlafen.
Oliver saà auf einer Obstkiste neben ihr, wachte über ihren Schlaf und fragte sich mit zunehmender Verzweiflung, wie es nun bloà weitergehen sollte.
»Um Gottes willen, so beruhigen Sie sich doch!« Gerlinde ging auf Mathilde zu und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Was ist denn geschehen?«
Greta hingegen konnte sich nicht rühren. Sie starrte ihre Tante an, während eine abgrundtiefe Furcht von ihr Besitz nahm. Ihr Herz flog zu Leni.
Auch Gerlinde dachte als Erstes an ihre Familie. »Ist etwas mit Erik? Oder mit Siggo? Ein Unfall? So reden Sie doch, Frau Voss!«
Mathilde bekam endlich wieder besser Luft und schüttelte nun kräftig den Kopf. »Nein«, sagte sie. »Kein Unfall.« Sie wandte sich an ihre Nichte, machte zwei Schritte auf sie zu.
Greta wich zurück, hob dabei den Eimer mit dem restlichen Schmutzwasser hoch und hielt ihn wie ein Schild vor ihre Brust.
»Es geht um Christoph Hansen«, erklärte Mathilde.
»Christoph.« Greta musste schlucken. Sie sah zum Altonaer Bahnhof hinüber, wo gerade mit lautem Tuten eine dampfspeiende Lok einfuhr.
Als hätte sie ihren Blick verstanden, sagte Mathilde: »Er ist zurückgekehrt aus Afrika.«
Gretas Knie wollten nachgeben, aber sie zwang sich, kerzengerade stehen zu bleiben. »Das ⦠ist ⦠erfreulich«, murmelte sie steif.
Mathilde und Gerlinde musterten sie prüfend, und Greta wand sich unter ihren Blicken. »Aber ⦠ich will ihn vielleicht gar nicht mehr wiedersehen.« Sie war sich ihrer Gefühle keineswegs sicher, doch zu diesem Zeitpunkt, mitten in den Vorbereitungen für ihr eigenes Geschäft, empfand sie Christophs Rückkehr nur als Störung. Der Moment mit Siggo, der leichte Kuss, stand ihr wieder vor Augen.
»Nein«, sagte sie, plötzlich voller Entschlusskraft. »Ich will ihn nicht wiedersehen.«
Sie sah, wie Gerlindes Augen aufleuchteten, während sich Mathilde vor Zorn und Furcht auf die Lippen biss.
»Das ist löblich«, sagte ihre Tante. »Nur, es nützt nichts. Christoph besteht darauf, dass du zu ihm kommst. Freia Hansen hat mich vor einer Stunde losgeschickt, obwohl sie sich wahrscheinlich lieber die Zunge abgebissen hätte, als einen solchen Befehl auszusprechen. Nun hasst sie mich ebenfalls, und ich muss um meine Stellung fürchten. Doch es hilft alles nichts. Christoph will dich sehen, und ich denke, er wird auch verlangen, dass du für ihn kochst und ihn womöglich sogar pflegst.«
Greta riss die Augen auf. »Ihn pflegen? Ist er krank?«
Mathilde nickte. »Er hat die Malaria. Deshalb ist er ja auch schon
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