Die Tortenbäckerin
nicht dies. Nicht eine Freia Hansen, die sich für die schreckliche Tat entschuldigte, die ihr Sohn begangen hatte.
»Wie steht es um Lenis Operation?«, fragte Freia Hansen nun.
»Wir ⦠wir waren heute Vormittag in der Augenklinik«,erzählte Mathilde stockend. Dann berichtete sie etwas flüssiger von der Diagnose, von der berechtigten Hoffnung, dass Leni danach sehen konnte, und lieà auch nicht die hohe Summe aus, die nötig war, um dieses Wunder zu vollbringen.
»Die Kosten übernehmen wir«, sagte Freia schlicht.
Dies war der Moment, in dem Mathilde ihren Glauben an die Gerechtigkeit der Welt wiedergewann. Sie starrte fassungslos auf die Kaffeetassen, sah dann Freia Hansen in die Augen und sagte: »Ich brauche jetzt einen Schnaps, wenn Sie gestatten.«
»Ich auch. Aber bitte nur einen Fingerhut voll. Alkohol scheint mir nicht besonders gut zu bekommen.«
Als Marie und Paula zurückkehrten, weil sie es einfach nicht mehr aushielten, fanden sie die gestrenge Hausherrin und die kaum minder furchteinflöÃende Köchin vor, wie sie gemütlich am groÃen Tisch saÃen, an ihren Schnapsgläsern nippten und sich wie zwei alte Freundinnen unterhielten.
Marie und Paula beschlossen, niemandem davon zu erzählen. Keiner hätte ihnen geglaubt, man hätte sie nur für verrückt erklärt.
»Niemals!«
Am nächsten Morgen im »Dreimaster« sagte Greta nur dieses eine Wort. Vor einer Stunde hatte sie Leni zu Gerlinde gebracht. Kommerzienrat Müller gab an diesem Abend ein Essen für Geschäftsfreunde aus Ãbersee, und er hatte bei Greta ein besonderes Menü bestellt. Für denHauptgang schmorte bereits ein Rehrücken im Ofen, und Greta versuchte sich an einer neuen SoÃe. Gerade hatte sie Heidelbeergelee zum Bratensaft gerührt und griff nach der frischen Sahne, als Mathilde hereingestürmt kam.
Einen Moment lang hatte die Tante zweifelnd in den Topf geschaut, dann war sie mit ihrer Neuigkeit herausgeplatzt.
»Niemals!«, wiederholte Greta.
»Kind, sei doch vernünftig.«
Greta rührte so heftig im Topf, dass ein Teil der SoÃe herausschwappte und zischend auf der Herdplatte verbrannte. Endlich legte sie den Holzlöffel zur Seite und sah ihre Tante an. »Ich nehme kein Geld von den Hansens. Das könnte denen so passen. Sich einfach freikaufen!«
»Aber Freia Hansen meint es gut.«
Kurz geriet Greta ins Schwanken. Sie erinnerte sich an die schreckliche Szene vor zwei Tagen, als Christoph sie im Kreise seiner Familie verraten hatte. Da hatte sich Freia Hansen auf Gretas Seite gestellt und schien ehrlich entsetzt über die Tat ihres ältesten Sohnes zu sein. Dann jedoch erinnerte sie sich an all das, was zuvor geschehen war, an den Schmerz und die Demütigung, und sie schüttelte heftig den Kopf.
»Ich will mit dieser Familie nichts mehr zu tun haben. Wir schaffen das auch alleine. Siggo wird mir helfen.«
»Gewiss«, erwiderte Mathilde. »Und dabei wird er sich geschäftlich und finanziell ruinieren.«
Greta wusste, sie hatte recht.
»Christoph hat mich vor seiner Familie bloÃgestellt«, sagte sie dennoch. »Wie kann ich da noch Hilfe annehmen?«
»Du hast das falsch verstanden, Greta. Christoph ist ein guter Mensch. Es war nicht seine Absicht, dich zu demütigen. Er plante vielmehr, dir zu helfen.«
Erneut geriet Greta ins Grübeln. Konnte das sein? Steckte hinter Christophs Verrat womöglich eine gute Absicht?
»Er ist nicht mehr der dumme Junge von einst«, fuhr Mathilde fort. »Er hat in Deutsch-Ostafrika seine groÃe Liebe gefunden und will dorthin zurückkehren.« Sie erzählte Greta, was sie am Abend zuvor nach dem zweiten Schnaps von Freia Hansen erfahren hatte.
»So ist das«, murmelte Greta. Sie lauschte aufmerksam in ihr Innerstes, fand jedoch keinerlei Eifersucht. Ihre Liebe zu Christoph, falls es je echte Liebe gewesen war, gab es nicht mehr.
»Genau. Vorher will er jedoch dafür sorgen, dass es dir und Leni in Zukunft gutgeht. Anscheinend fühlt er sich schuldig, weil er damals nicht genug unternommen hat.«
»Er war der Einzige, der überhaupt etwas getan hat«, erwiderte Greta und merkte dabei, wie sie ihre Meinung über Christoph bereits änderte. Er hatte immer zu ihr gestanden, auch in den dunkelsten Tagen. Hatte sie ihm womöglich unrecht getan? Hatte Christoph ihr auch diesmal nur
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