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Die Tortenbäckerin

Die Tortenbäckerin

Titel: Die Tortenbäckerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Janson
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war, bevor sie von Christophs Abreise erfahren und bevor sie ihre Stellung verloren hatte. Bevor ihre Welt zerbrochenwar. Greta unterdrückte ein Stöhnen, starrte lange auf die Körbchen mit Pilzen.
    Endlich sagte die Bäuerin: »Willste denn nu wat koopen, Deern?« Schlagartig kam Greta wieder zu sich, erinnerte sich an die Mutter, die auf sie wartete, wandte sich ab und beeilte sich, wieder heimzugehen.
    Inzwischen waren die geschälten und geschnittenen Kartoffeln zusammen mit den gehackten Zwiebeln weich gekocht. Greta nahm den schweren Topf vom Herd und stellte ihn auf zwei Ziegelsteine, die verhindern sollten, dass der Holzfußboden angesengt wurde. Auf den heißen Ring kam jetzt die Bratpfanne, und Greta zerließ den kleingeschnittenen Speck. Ein verführerischer Duft zog durch die Stube, und ihr Magen knurrte. Sie hatte am Morgen nur einen Kanten hartes Brot gegessen und auch den nur mit Mühe hinuntergewürgt, überzeugt davon, dass sie vor lauter Kummer nie wieder Hunger verspüren würde. Offenbar interessierte sich ihr Magen nicht für ihren Seelenschmerz.
    Greta stieß einen langen Seufzer aus und machte dann weiter. Erst wenn die Mutter versorgt war, würde sie sich selbst einen Teller Suppe gönnen. Nun musste der Topf wieder auf den Herd, Greta gab den Speck hinzu und würzte die Kartoffelsuppe süßsauer, so, wie sie schon immer in ihrer Familie gegessen wurde. Sie gab Zucker, Essig und Salz dazu, ließ die Suppe noch einmal aufkochen und bestreute sie am Ende mit etwas gehackter Petersilie.
    Gerade als sie ihrer Mutter einen Teller voll bringen wollte, hörte sie unten auf der Straße einige Leute laut durcheinanderrufen. Sie dachte an einen Unfall, stellte den Teller zurück und beugte sich aus dem Fenster.
    Sogleich bemerkte Greta, dass sie sich geirrt hatte. Nicht ein Unfall hatte den Menschenauflauf verursacht, sondern die Ankunft des Arztes. Er hatte seine zweirädrige Kutsche direkt vor dem Haus abgestellt und stieg gerade aus. Ein Straßenjunge hielt das zottelige schwarzbraune Pony und reckte stolz den Kopf in die Höhe, weil er schneller gewesen war als seine Freunde und sich nun fünf Pfennige verdiente.
    Dr. Hausmann war ein weißhaariger Mann von gebückter Haltung. Seit Jahren schon wollte er sich zur Ruhe setzen, aber sein weiches Herz hinderte ihn daran. Die Armen hier in den Mietskasernen hatten nur ihn, und obwohl er, wo er konnte, auf sein Honorar bestand, wusste doch jeder im Viertel, dass der alte Doktor niemanden abwies. Und so hingen die Leute jetzt wie die Trauben an ihm, und Greta fürchtete schon, er würde vom Mob niedergerissen.
    Â»Herr Doktor!«, rief eine in Lumpen gekleidete Frau. »Mien Kalli steht gar nicht mehr auf. Liegt nur in unserem Kellerloch rum und rührt sich nicht mehr.«
    Â»Mein Sohn stirbt«, rief eine andere. »Retten Sie ihn!«
    Ein paar Kinder zerrten an seinen Rockschößen, fest entschlossen, Dr. Hausmann einfach mitzunehmen, nach Hause, wo Mütter, Väter oder Geschwister krank daniederlagen.
    Am liebsten hätte Greta aus dem Fenster gebrüllt: Lasst ihn in Ruhe! Er soll zu meiner Mutter kommen, und ich bezahle ihn dafür!
    Aber sie schaute nur stumm dem Aufruhr zu, wohl wissend, dass sie sich nicht den Zorn der Leute zuziehen durfte. In der Georgstraße waren die Menschen aufeinander angewiesen, und die Ärmeren waren sowieso schonnicht gut auf die Familie Voss zu sprechen. Die halten sich doch für was Besseres, hieß es. Die große Mathilde, die schmale, menschenscheue Greta, richtig hochnäsig sind die. Und die angeblich so kranke Viola – machte die sich nicht eher einen schönen Tag? War sich wohl zu fein, um auch mal Kohlen heranzuschleppen oder das Gemeinschaftsklo zu putzen. Nein, mit den Vossens wollten die meisten Leute in der Mietskaserne nichts zu tun haben. Die gehören nicht zu unsereins, hieß es hinter vorgehaltener Hand.
    Greta konnte nichts tun. Aber da sah sie, wie Dr. Hausmann sich aufrichtete und mit einer Stimme, die zu seinem schmächtigen Körper nicht zu passen schien, losdonnerte: »Schluss jetzt! Ich habe eine Patientin, die auf mich wartet, und ihr stellt euch gefälligst in einer Reihe auf. Du da!« Er wies auf einen jungen Mann, der vielfach geflickte, aber immerhin saubere Sachen trug. »Du sorgst dafür, dass hier eine ordentliche Warteschlange entsteht und Ruhe herrscht. Wenn

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